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Judith Albert und Doc Pani im Juni 2005 auf der Älggi Alp. (Bild Franziska Altermatt)

Begegnung mit Doc Pani

Einige Wochen nach ihren Recherchen im Zentrum der Schweiz triff Judith Albert im Zürcher Restaurant «Tibits» mit der für das Älggi-Happening mitverantwortlichen Kuratorin Ester-Maria Jungo und dem Journalisten Samuel Herzog zusammen, der im Rahmen von «Peripherie als Zentrum» einen Workshop leiten soll. Eher beiläufig erwähnt sie ihre Recherchen auf der Alp. Als sie von der blauen Muschel spricht, wird Herzog, der eben noch vor sich hin zu träumen schien, plötzlich hellwach. Er beginnt sie auszufragen, will jedes Detail wissen und gerät mehr und mehr in eine seltsame Aufregung hinein. Als Liebhaber der östlichen Karibik nämlich weiss Herzog, was der Fund einer solchen Muschel bedeuten kann - und wenn es da tatsächlich ein Khongun gäbe, mitten in der Schweiz? Er überredet Judith Albert, noch am selben Abend mit ihm einen Vortrag von Doc Pani zu besuchen, der an der ETH Zürich über «Magische Kulte der karibisch-atlantischen Zone» spricht. Simon Mhuba-Weizmann (alias Doc Pani), der auf Einladung des Freien Evangelischen Vereins für Naturwissenschaften durch Europa tourt, ist ein Religionswissenschafter und Priester aus Santa Lemusa, dem man selbst magische Kräfte nachsagt.

Magische Performance

Im Anschluss an den Vortrag gelingt es Herzog und Albert, Doc Pani zu einem gemeinsamen Besuch auf der Älggi zu überreden. Am 26. Juni fahren die drei auf die Alp. Doc Pani trägt ein magisches Gewand - einen schwarzen, altertümlich anmutenden Gehrock, der mit allerlei seltsamem Schmuck behängt ist. Kaum ist der Priester aus dem Auto gestiegen, scheint ihn irgendetwas zu irritieren. Er springt in eine Doline, klettert wieder daraus hervor, legt sich hin und presst sein Ohr auf den Boden, steht wieder auf, beginnt zu hüpfen und dreht sich dabei im Kreis. Dann geht er langsam in Richtung auf den Felsen mit der markanten Spalte los – mit entschiedenen Schritten, aber immer wieder unvermittelt Kurven und Kreise ziehend, als folge er einer seltsamen Choreographie. Judith Albert geht ihm nach. Derweilen versucht Samuel Herzog, die Geschehnisse mit einer Videokamera festzuhalten (hier die Ergebnisse).

Salz, Wein und ein Hühnchen

Vor dem Felsen angelangt, holt Doc Pani ein riesige blaue Muschel aus seiner Tasche und hängt sie neben die Öffnung in den Stein. Nun holt er ein Muschelhorn hervor und bläst einen lauten Ton in Richtung der Öffnung im Fels. Dann ruft er beschwörend: «Khong khong, ti moun, tyanmay, ti moun lyanné. Mong, o mong, bonnè o bonnè». Jetzt nimmt er Salz aus einem kleinen Täschchen und streut es in die Öffnung: «Mong, o mong, pran sèl». Dann spritzt er Wein aus einer Flasche nach: «Mong, o mong, pran diven». Und schliess lich steckt er an seinem Stab ein rohes Hühnchen in die Spalte: «Mong, o mong, pran vyann. Mong, o mong, bonnè o bonnè, Ba mwen souf fétil ou a, ba mwen chalè ou a, ba mwen lasanté, félisité y bèlté. Mong, o mong, bonnè o bonnè.» Wenige Augenblicke später steigt Dampf aus der Spalte auf. Doc Pani zieht den Stab zurück und an seiner Spitze steckt immer noch das Hühnchen, nun aber ist es gebraten. Doc Pani und Judith Albert setzen sich ins Gras und verzehren das Hühnchen. Die Knochen werfen sie hinter sich, mit geschlossenen Augen und dazu murmeln sie «Mong, o mong, bonnè o bonnè». - Nach dem Essen greift Doc Pani wieder zum Muschelhorn und bläst ein Mal laut in jede Himmelsrichtung. Damit scheint das Ritual zu Ende. – Später, bei einem kühlen Bier im Restaurant «Lido» am Sarnersee, bestätigt Doc Pani, was Samuel Herzog längst geahnt hat. Bei der Felsspalte handelt es sich tatsächlich um ein Khongun – ein dem Meeresgott Khong geweihtes Heiligtum.

 

Doc Pani horcht. (Bild Franziska Altermatt

First Publication: 7-2005 (vormals PJ091)

Modifications: 25-3-2011, 4-11-2011