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Kapitel X

Wie Judith Albert den Priester im Gunub-Spiel schlug und dieser sich bereit erklärte, den Fremden im Wald von Jusadmi den Tempel der Ashroti zu zeigen.

«Come, come», gurrte Hed Ban während er auf einem schmalen Pfad vor Judith Albert, Geri Hofer und Samuel Herzog durch den Dschungel tanzte. «You will see, it's beautiful». Das Trio folgte, so gut das bei der Hitze und Feuchtigkeit eben ging. «Ob es wohl klug war, sich auf diese Sache einzulassen», meinte Geri Hofer und versuchte, mit einem Stückchen Holz einen grossen, grünlichen Käfer wegzuschubsen, der sich auf seiner Schulter niedergelassen hatte. «Wahrscheinlich wird es darauf hinauslaufen, dass wir irgendwelche Souvenirs kaufen müssen – Gartenzwerge aus Ebenholz oder so», keuchte Herzog denn es ging nun ziemlich bergauf. «Seid nicht so pessimistisch», beschwichtigte Judith Albert: «Ich habe bei der Sache ein gutes Gefühl».

Bald gelangten sie zu einem Wasserfall, der mitten aus dem Grün des Dschungels über ihnen hervorzusprudeln schien und sich tief unter ihnen wiederum im Grünen verlor. Wenig später blieb Hed Ban plötzlich stehen: «Here we are, that is the shrine», verkündete er und warf seinen langen Wollbart mit einer eleganten Geste über die Schulter zurück. Doch da gab es nichts zu sehen als ein paar Bäume. Da war kein Tempel, ja nicht einmal ein kleiner Altar. «Ich wusste doch, dass da etwas faul ist», beschwerte sich Hofer leise und Herzog fügte an: «Ihr werdet sehen, gleich werden hier Club-Med-Touristen mit dem Fallschirm abgesetzt». Doch da sahen die zwei Männer, wie Judith Albert mit weit offenem Mund in die Bäume starrte: «Seht ihr das denn nicht, wir stehen hier mitten in einer Tempelstadt - bloss ist sie vom Wald überwuchert». Und tatsächlich: Da und dort schauten zwischen den Wurzeln und Ästen der Bäume Teile von Mauern hervor, auch Fragmente von Steinfiguren waren zu sehen. «Diese Tempelstadt wurde vor fast 2000 Jahren errichtet – als Heimat für die Ashroti, die auch heute noch hier leben. Das Volk der Ashroti ist heilig - wo sie leben, bringen sie Fruchtbarkeit übers Land und Glück über die Menschen. Man kann sie nicht direkt sehen - und doch sind sie da. Wenn wir hier in diesem Tempel meditieren, dann sehen wir sie vor unserem inneren Auge: Sie sind etwas kleiner als wir, haben eine helle Haut und kräftige Körper. Auch hören wir ihre Stimmen – glockenhell, rein und doch bloss ein Flüstern, tönen sie zwischen den Bäumen.»

«Und nie hat jemand so ein Tierchen gesehen?», fragte Herzog. «Ashroti ist kein Tier, es ist ein Gott. Einmal, das ist viele Jahre her, hat ein Mann aus dem Norden ein Ashroti in eine Falle gelockt –und ihm direkt ins Gesicht gesehen. Das Ashroti ist so sehr erschrocken, dass seine Körperflüssigkeit zur Säure wurde und es sich vor den Augen des Mannes aufgelöst hat. Dieser Anblick war so unendlich traurig, dass sich der Mann noch am selben Tag in eine Schlucht gestürzt hat. Wir sind vorhin dran vorbeigegangen, wir nennen sie die «Schlucht des Seufzers». In der Folge dieser Freveltat blieb das Land drei Jahre lang nahezu unfruchtbar – und kein Kind wurde in dieser Zeit geboren.»

«Aber wovon leben denn diese Ashroti, von den Opfergaben, die ihr ihnen darbringt?», fragte Hofer. «Nein, die Ashroti ernähren sich von einer Flechte, die wir Sasesifo nennen – und von der Aura der Kunst. Deshalb gibt es hier so viele Skulpturen – sie wurden von den besten Künstlern des Landes gefertigt.»