D | E  

Port-Louis, Hauptquartier des Geheimdienstes

Szene 3

Wie immer trug Marie Soussent eine Bluse, die von unten her aufgeknöpft war – so, dass man ihren Bauch sehen konnte. Marie war stolz auf diesen Bauch, für dessen akkurate Wölbung sie auf Kraftmaschinen litt und dessen Oberfläche sie regelmässig in der Sonne bräunte. Ja vor Jahresfrist hatte sie sich gar einen kleinen Punkt auf diesen Bauch tätowieren lassen. Es war wirklich nur ein kleiner Punkt, etwa drei Zentimeter unterhalb des Bauchnabels. Und doch erwischte sich Maille immer wieder dabei, dass er wie gebannt auf diesen Punkt starrte – ganz als erwarte er, das bisschen Tinte in dieser Haut werde plötzlich ein Geheimnis lüften, seine Bedeutung verraten.

Marie war mehr als nur die erste Sekretärin der Abteilung: Sie war eine Zentrale auf zwei Beinen, die alles wusste, alles koordinierte und ohne zu fragen ergänzte, was andere vergassen - und das war einiges. Einmal, als Maries Katze von einem Auto überfahren worden war, hatte Maille sie zu sich nach Hause eingeladen. Er hatte gekocht, grünen Reis mit frischer Sepia (Dirivè). Sie waren in seinem Garten gesessen und hatten einige Gläser Wein getrunken. Maille erinnerte sich noch gut daran, wie ihr kurzes Blondhaar in der Nacht zu leuchten schien. Dann hatte er sie geküsst. Sie hatte es geschehen lassen, ja sie hatte sich gar an ihn gedrückt – jedenfalls hatte er sich das eingebildet. Irgendwann aber war sie abrupt aufgestanden und in der Nacht verschwunden. Sie hatten nachher nie mehr darüber gesprochen - warum auch? Aber seither schien Marie überzeugt, dass Maille ein Frauenheld war, der sich auf seinen Dienstreisen von einem Abenteuer zum nächsten hangelte. Und sie liess keine Gelegenheit aus, hämische Anspielungen auf Mailles Triebhaushalt zu placieren. Dass er seine Blicke vor allem nicht von ihrem Bauch lösen konnte – das hingegen bemerkte sie offensichtlich nicht.