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Moskau, Moskworeskaja nab.

Szene 13

«War das der Grund, warum sie die Stelle aufgegeben haben?»
«Nein. Aber sie kennen die ganze Geschichte ja wahrscheinlich besser als ich. Jenadi ist ja der Sohn eines Atomphysikers namens Grigorij Koslow, der 1940 zusammen mit seiner Familie und seinen zwei Assistenten aus einer geheimen russischen Forschungseinrichtung floh und über Wien und Lissabon nach Santa Lemusa gelangte. So viel ich weiss, boten ihm die Regierung der Insel oder einzelne Vertreter damals ein komfortables Asyl an – im Gegenzug musste er sich verpflichten, seine Forschungen in den Dienst der Republik zu stellen. Das war die Geburtstunde der Operation de rectification météorologique, der ORM. Es wurden Labors eingerichtet – ebenso hochmodern wie geheim. Offiziell existierten diese Labors wohl immer noch nicht. Die Russen blieben unter sich – eine verschworene Gemeinschaft bis heute, die auf einer Art Campus in Bitasyon Francelle lebt und Kontakte mit der Aussenwelt nach Möglichkeit vermeidet. Jenadi verliebte sich in die Tochter des einen Assistenten seines Vaters und übernahm in den achtziger Jahren die Leitung der ORM. Sie werden verstehen, dass es für mich in einem solchen Umfeld schwierig war, Fuss zu fassen – ich fühlte mich isoliert von der Umwelt und kam mir gleichzeitig wie ein überflüssiges Adoptivkind in einer Grossfamilie vor. Als ich Jenadi darauf ansprach, wurde er sauer. Also beschloss ich, nach Hause zurückzukehren – hier habe ich zwar kaum Aussichten auf Arbeit in meinem Gebiet, das Leben aber gefällt mir jetzt besser.»