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Zwei Perlhühner auf ihrem Spaziergang durch ein Dorf im Süden von Paraguay. (Oktober 2011)

Perlhuhn

Das Perlhuhn ist eine «aus West- und Zentralafrika stammende Haushuhnart, die wegen ihres vergleichsweise hohen Anteils an hochwertigem, fettarmem, zartem, dunklem Muskelfleisch am Schlachtkörper geschätzt wird. Perlhuhn wird als ganzer Schlachtkörper als ‹junges Perlhuhn› mit biegsamem (nicht verknöchertem) und als ‹Perlhuhn› mit rigidem (verknöchertem) Brustbeinfortsatz im Handel angeboten. Grösstes Erzeugerland für Perlhuhn in Europa ist Frankreich.» So weit das «Dr. Oetker Lebensmittel-Lexikon» (S. 603).

Geschichte

Perlhuhn muss bereits in der Antike auch in Europa gezüchtet worden sein, namentlich in Griechenland. Die Stammform des Haus-Perlhuhns ist das weit verbreitete Helm-Perlhuhn, dessen wissenschaftlicher Name Numida meleagris lautet. Darin klingt auch der Name von Meleagros an, jenem Helden aus dem Kreis der Argonauten, der dem Kaledonischen Eber den Todesstoss versetzte. Auf dem Totenbett rief Meleagros seine Schwestern herbei, die unaufhörlich weinten bis sie von Diana endlich in Perlhühner (μελεαγρίδεc) verwandelt wurden. Wobei man oft liest, die Perlen im Gefieder der Tiere seien die Tränen der Schwestern. Die Identifikation der Tiere als Perlhühner soll auf Antoninus Liberalis zurückgehen, der im 2. Jh n.Chr. eine Sammlung von Metamorphosen (μεταμορφώσεων συναγωγἠ) vorlegte (wir haben den Passus noch nicht verifizieren können). In den Metamorphosen von Ovid ist zwar nicht explizit von Perlhühnern die Rede, Trauer und Verwandlung der Schwestern aber werden mit überaus kraftvollen Worten dargestellt (Übersetzung von Johann Heinrich Voss aus dem Jahr 1798):

Nicht, ob ein Gott mir hundert ertönende Munde mit Zungen / Schenkt', und umfassenden Geist, und des Helikons sämtliche Weisheit, / Redet' ich ganz den Jammer der unglückseligen Schwestern. / Reiz nicht achtend, noch Zier, zerbläuen sie nackende Brüste; / Und weil dauert der Leib, wird umschlungen der Leib und geherzet, / Wird er selber geküsst, und geküsst das gebreitete Lager. / Als die Asche zerfiel, da streun sie die Asch' um die Brüste, / Liegen gestreckt am Hügel der Gruft, und umarmen des Marmors / Namenzüg', und betränen die teuersten Namen mit Wehmut. / Satt nun endlich vom Grame des parthaonischen Hauses / Hüllt, bis auf Gorge allein und die Schnur der edlen Alkmene, / Allen Diana den Leib mit dem Wuchs leichthebender Federn, / Streckt an den Armen entlang weitreichende Flügel, und spitzet / Hornig den Mund; es entfliegt die verwandelte Schar in die Lüfte.

In der Spätantike muss das Perlhuhn aus Europa verschwunden sein – jedenfalls wird es offenbar in keiner Quelle des Mittelalters erwähnt. Erst im 15. Jh. oder auch später wurde es von den Portugiesen aus Guinea wieder nach Europa eingeführt, was ihm den Namen Guinea-Huhn und der Familie die Bezeichnung Numididae eingetragen hat. Im 18. Jahrhundert war es jedenfalls in ganz Europa verbreitet und wird von verschiedenen Autoren erwähnt. Pierre-Joseph Buchoz etwa beschreibt es (ab S.182) in seiner «Abhandlung vom Federvieh, welches zum Vergnügen in Vorhöfen und Vorwerken pflegt gehalten zu werden» (Münster: Philipp Heinrich Perrenon, 1777) und schliesst: «Das Perlhuhn gehöret mit zu dem besten Wildbret. Seine Eyer sind gut zu essen; die jungen davon werden eben so aufgezogen, wie die von den gemeinen Hühnern.»

Auch für Habs und Rosner («Appetit-Lexikon», S. 375) war das Perlhuhn im Mittelalter aus Europa verschwunden, um erst mit den Portugiesen aus Westafrika wiederzukehren. Es gibt jedoch auch Autoren, für die das Perlhuhn Europa nie verlassen hat (zum Beispiel «Gutes Fleisch», S. 258): «Perlhühner wurden bereits seit der griechischen Antike domestiziert. Von Griechenland aus gelangte das Perlhuhn über Rom nach Frankreich und breitete sich schnell in alle europäischen Regionen mit einem gemässigten Klima aus.»

Ein küchenfertiges Perlhuhn mit Kopf, wie es in der «Grande Epicerie de Paris» verkauft wird. (Dezember 2011)

Beschreibung

Das Helm-Perlhuhn hat einen rundlichen Körper mit einem stark gewölbten Rücken und einem zu Boden zeigenden Schwanz, kurze Flügel und ein glattes, anliegendes Gefieder. Es wird 40 bis 70 cm gross und 1 bis 1.5, manchmal auch bis 2 kg schwer. Das Perlhuhn fällt durch ein völlig ‹nacktes›, pigmentiertes Gesicht und einen beinahe federlosen Hals auf. Der Kopf wirkt im Vergleich zum Körper eher klein. Das Gefieder ist schwarz bis bläulich-grün und mit hellen Tupfern («Perlen») übersät. Auf dem Kopf tragen Perlhühner anstelle eines Kamms einen dreieckigen roten oder braunen Helm. Nebst dem verbreiteten und domestizierten Helm-Perlhuhn gibt es vor allem in Afrika zahlreiche weitere, wilde Sorten (zum Beispiel ein besonders fies aussehendes Geier-Perlhuhn), die jedoch nicht unbedingt auch kulinarisch genutzt werden.

In verschiedenen Ländern Europas werde Perlhühner in Zucht gehalten (Freiland oder Käfig). Manche werden bereits nach 6 Wochen geschlachtet wenn sie ein Gewicht von 500 bis 600 g haben. Andere leben länger und erreichen nach weiteren 6 Wochen bereits ein Gewicht von 1.3 kg. Die meisten Perlhühner, die man im gewöhnlichen Handel erhält, haben ein Gewicht von etwa 1,3 bis 1.8 kg.

In Frankreich erhalten Perlhühner von besonderer Qualität das Gütesiegel «Label Rouge». Sie müssen zum Zeitpunkt der Schlachtung wenigstens 94 Tage alt sein, müssen im Freiland gehalten werden und dürfen zwar gegen Ende der Mastzeit mit Mais, jedoch nie mit Fisch- oder Tiermehl gefüttert werden. Mehr dazu auf der Webseite des Syndicat National des Labels Avicoles de France (www.volaillelabelrouge).

Auf Santa Lemusa kommen die besten Perlhühner aus Carbelotte und dort aus der Zucht der Familie Ducele.

Charakter und Verwendung

Früher war es offenbar üblich, Fasan ausserhalb der Jagdsaison durch jung geschlachtetes Perlhuhn zu ersetzen. Wahrscheinlich eine ungünstige Konkurrenz. So heisst es etwas bei Auguste Escoffier («Guide culinaire», S. 632): «La Pintade est loin d'avoir la valeur gastronomique du faisan que, pourtant, elle remplace parfois dans l'ordre des rôtis, quand la fermeture de la chasse prive la Table de l'exellent gallinacé.»

Auch für Habs und Rosner («Appetit-Lexikon», S. 375) ist das Fleisch dieser «ärgerlichen Schreier des Geflügelhofs» nichts Besonderes: «… gegenwärtig aber macht man nicht mehr Aufhebens von ihnen als vom braven Haushuhn, hält sie auch im grossen und ganzen mehr zur Zierde als des Fleisches halber, dessen Wohlgeschmack unantastbar, aber doch nicht grösser ist als der unserer heimischen Hühnerrassen.»

Uns gefällt das Perlhuhn weil sein Fleisch dunkler und kräftiger ist als das von Huhn. Auf der Brust ist es eher weiss, auf den Keulen aber ist es dunkel und erinnert an Wildfleisch. Auf den Flügeln hat das Perlhuhn nur sehr wenig Fleisch. Von allen Geflügelarten hat Perlhuhn den niedrigsten Fettgehalt: 1% auf der Brust und knapp 3% auf den Keulen.

Perlhuhn ist etwas schneller gar als gewöhnliches Huhn. Wir bereiten das Tier meist im Ganzen zu (ohne Kopf allerdings) – zum Beispiel so: Ofen auf 220° vorheizen. Perlhuhn (ein Exemplar von knapp 1.5 kg) innen und aussen salzen, dann dünn mit wenig Öl einreiben und mit der Brust nach oben auf ein Backblech oder in eine Gratinform setzen. 10 bis 15 Minuten bei 220° braten, dann erstmals mit Weisswein ablöschen. Hitze auf 180° reduzieren und weitere 45-50 Minuten backen. Etwa alle 10 Minuten mit dem Weisswein-Saft übergiessen, der sich am Boden der Form sammelt (wenn nötig frischen Wein zugiessen). Vor dem Aufschneiden 15 Minuten in Alu verpackt ruhen lassen.

Besonders feierlich schmeckt Perlhuhn wenn man es füllt wie zum Beispiel in unserem Rezept aus Carbelotte.

 

Nackt zwar, aber doch mit Augenbrauen: der Kopf eine Helm-Perlhuhns. (Paris, Dezember 2011)

Systematik & weitere Namen

Familie: Numididae (Perlhühner)
Art: Perlhuhn

Wissenschaftlich: Numida meleagris domesticus

Deutsch: Guinea-Huhn
Englisch: helmeted guineafowl, tufted guineafowl
Französisch: pintade, pintade de Numidie
Spanisch: gallina de Guinea, pintada, pintada común, pintada gris

Siehe auch

First Publication: 31-12-2011

Modifications: 1-1-2012, 5-1-2011