D | E  

Neuste Beiträge

HOIO und Cookuk

  • Das Tagebuch von Raum Nummer 8 (Susanne Vögeli und Jules Rifke)
  • HOIO-Rezepte in der Kochschule – das andere Tagebuch

Etwas ältere Beiträge

Grosse Projekte

Mundstücke

Gewürze aus Santa Lemusa

Abkürzungen

Tripes à la mode de Caen, mit einem der Länge nach halbierten Kalbsfuss in der Mitte. (Januar 2012)

Tripes à la mode de Caen

Kutteln, Kalbsfüsse, Karotten und Kräuter in Cidre und Calvados geschmort

Dieses Kuttelgericht gehört zu den grossen Klassikern der Französischen Küche. Das Rezept gilt als die Erfindung eines Schülers von Marie-Antoine Carême (1784-1833). Normannisch sind die Tripes insofern als sie in Cidre und etwas Calvados gegart werden. Natürlich gibt es Rezepte zu Hauff, wobei sie sich sowohl bei der Wahl der Zutaten wie auch bei der Länge der Kochzeit grundsätzlich ähnlich sind. Die einen kochen die Kutteln etwa 4 Stunden bei 180º, andere 10 Stunden bei 100º – auf jeden Fall schmoren sie lange und bei eher niedriger Temperatur.

Die Länge der Kochzeit

Manche Rezepte behaupten, je länger man das Gericht koche, desto besser werde es. Diese Meinung teilen wir nicht: Die Kutteln halten einiges aus und es braucht viel Zeit, damit das Fleisch der Kalbsfüsse seine unvergleichliche Konsistenz entwickeln kann – wenn man das Gericht jedoch exzessiv lange garen lässt, dann ist von einzelnen Kuttelsorten und namentlich vom Fleisch der Kalbsfüsse irgendwann nur noch wenig übrig.

Kalbsfuss oder Rinderfuss

Am meisten disputiert wird die Verwendung von Kalbsfüssen. Laut Auguste Escoffier («Guide culinaire», S. 453) sind die Kalbsfüsse eine üble Mode, sieht das Rezept doch eigentlich Rinderfüsse vor. Er schreibt: «Dans cette préparation, une erreur trop communément répandue est de substituer les pieds de veau aux pieds de boeuf. Il en résulte que le fonds, se trouvant moins chargé en gélatine, est moins bien lié, d'abord; et, ensuite, les pieds de veau étant plus tendres que les tripes se trouvent réduits en bouillie avant que celles-ci soient au point. Cette prétendue amélioration de la recette normande va donc à l'encontre du but qu'elle se propose». Auch unser Rezept allerdings verwendet Kalbsfüsse und wir finden das Resultat durchaus annehmbar. Allerdings sind die Kutteln, die man sich heute besorgen kann, meist bereits vorgegart und haben also auch keine bedeutend längere Kochzeit mehr als die Kalbsfüsse. Ausserdem sind Rinderfüsse heute nur sehr schwer zu bekommen.

Eine lemusische Variante

Das Gericht fällt durch die grosse Menge von Thymian auf, die zur Anwendung kommt. Erstaunlich ist das nicht, haben wir es doch vom Restaurant «Sieps» in Carbelotte bekommen – dem Hauptort der Thymianproduktion auf Santa Lemusa. Ungewöhnlich ist ausserdem die Verwendung von Tasmanischem Pfeffer – doch auch dafür gibt es eine einfache Erklärung: Paule-Berthe (sie selbst nennt sich Paula), die Schwester von Marie-Anne Froiderive, die das «Sieps» seit 2009 führt, lebt in der lebensreformerischen Gemeinde Nepal, die den Tasmanischen Pfeffer für die Insel produziert.

Abnehmende Hitze

Man sollte für die Zubereitung von Tripes à la mode de Caen einige Zeit nehmen ? am besten fängt man etwa sechs bis sieben Stunden vor dem Essen mit den Vorbereitungen an. «Dieses Kuttelgericht wurde ursprünglich nach dem Brot-Backen im Ofen des Bäckers zubereitet», erklärt Froiderive: «Die irdenen Terrinen standen in einem Ofen, dessen Hitze ständig ein wenig abnahm weil nicht mehr eingefeuert wurde. Dies versuchen wir in unserer Küche dadurch zu imitieren, dass wir die Hitze in einem modernen Ofen sukzessive reduzieren». In diesem Punkt weicht das hier vorgestellte Rezept von der Version aus dem «Sieps» ab: Da private Küchen nur selten über Geräte verfügen, die eine derart präzise Steuerung der Temperatur erlauben, kochen wir die Kutteln nur in zwei Temperaturstufen. 

Eine Frage des Verschlusses

Escoffier empfiehlt (S. 454) «des terrines spéciales de forme sphérique aplatie, dont les couvercles n'ont qu'une petite ouverture». Er belegt die Schichten aus Kutteln und Kalbsfüssen ausserdem mit «plaques de graisse de boeuf épaisses de 3 centimètres» ? auch dies eine Zutat, die sich in der Schweiz zumindest nur schwer auftreiben lässt. Auch Froiderive kocht die Kutteln in irdenen Formen, belegt sie mit grünem Speck (vom Schwein) und verschliesst die Terrinen (wie übrigens auch Escoffier) mit einem einem aus Mehl und Wasser geformten Teig. Ziel des Specks ist es, dass sich die oberste Schicht der Kutteln nicht braun verfärbt. Den Teig legt man auf, um die Gefässe möglichst hermetisch zu verschliessen. Wir geben hier eine etwas vereinfachte Version dieser Kutteln wieder, für die man am besten einen schweren, gusseisernen Topf mit einem gut aufsitzenden Deckel braucht. Mit etwas Aluminiumfolie sollte er sich so gut verschliessen lassen, dass man sich das Auflegen eines Brotteigs sparen kann. Man kann die Kutteln nach unserem Rezept auch in einer hohen Tonform zubereiten, dann aber braucht es den Teigdeckel damit das Klima im Innern feucht bleibt. Wichtig scheint uns, dass der Topf auch nicht allzu gross ist – also nicht allzu viel Raum zwischen dem Gargut und dem Deckel bleibt. Wir haben diese Kutteln auch schon auf dem Herd zubereitet, was bei unserem Topf, der die Feuchtigkeit gut zurückbehält, zu einem einigermassen annehmbaren Ergebnis führte – wobei die richtige Temperatur auf dem Herd schwieriger zu steuern ist als im Ofen.

Für dieses Gericht braucht es grössere Kuttelstücke, am besten aus verschiedenen Teilen des Magens geschnitten. Die in der Schweiz üblichen Kuttelstreifen eignen sich weniger gut, weshalb man beim Metzger ganze Kutteln vorbestellen sollte.

Traditionell werden die Kutteln nach Art von Caen mit Weissbrot serviert. Wir geben gerne ein paar Pellkartoffeln dazu.

Zutaten (für 6 bis 8 Personen)

1.3 kg Kutteln (oder auch etwas mehr) am Stück

1 grosse Stange Lauch (ca. 200 g)

1 Handvoll Petersilien-Stengel (ca. 60g, wenn möglich Flachpetersilie)

50 g Selleriekraut (gemein ist das Grün des Bleich- oder Stangenselleris)

20 g Thymian, am Zweig, frisch

1 grosse Zwiebel (zum Spicken)

3 Lorbeerblätter

6 Gewürznelken

3 grosse Karotten (400 g)

4 Zwiebeln (300 g)

Salz und Pfeffer

2 Kalbsfüsse in Stücken (ca. 1 kg)

1 EL Wachholderbeeren

1 EL Tasmanischer Pfeffer, leicht zerstossen

½ Muskatnuss, gerieben

1 knapper EL Chili-Flocken

3 Zehen Knoblauch

7 dl Cidre (normannischer Apfelwein), trocken (brut)

5 EL Calvados

4 dl Rinderbrühe oder Hühnerbrühe

Zubereitung

  1. Kutteln in ca. 4 cm grosse Quadrate schneiden. Ofen auf 200 Grad vorheizen.
  2. Lauch putzen, in etwa 10 cm lange Stücke schneiden und diese der Länge nach halbieren. Petersilien-Stengel und Selleriekraut putzen und in ähnlich lange Stücke schneiden. Lauch, Petersilie, Selleriekraut und Thymianzweige mit Hilfe von Küchenschnur (Bratenschnur) zu vier kleinen Paketen binden.
  3. Die Zwiebel (zum Spicken) schälen und mit Hilfe der Gewürznelken die Lorbeerblätter darauf festnageln.
  4. Karotten schälen und in nicht zu dicke Scheiben schneiden. Zwiebeln schälen, halbieren und in Streifen schneiden.
  5. Die Zwiebeln und die Karotten am Boden eines grossen, schweren Topfes auslegen (auch der Deckel muss feuerfest sein). Salzen, pfeffern und mit der Hand etwas vermischen.
  6. Die Kalbsfüsse auf das Gemüse legen, und ebenfalls leicht salzen und pfeffern. Zwei der Kräuterpakete zwischen die Kalbsfüsse packen.
  7. Die Kutteln mit Wachholderbeeren, Muskatnuss und Chiliflocken, Salz und Pfeffer vermischen. Die Hälfte der Kutteln auf die Kalbsfüsse schichten. Die gespickte Zwiebel, den leicht zerdrückten Knoblauch und die übrigen Kräuterpakete darauf legen und die restlichen Kutteln darüber schichten.
    
Wer sich Scheiben von grünem Speck (also vom fleischarmen Rückenspeck des Schweins) besorgen kann, legt solche auf der Oberfläche der Kutteln aus.
  8. Mit Cidre, Calvados und Fleischbrühe begiessen.
  9. Topf mit Hilfe von Aluminiumfolie und Deckel so hermetisch wie möglich verschliessen.
  10. In den Ofen schieben und 20 Minuten bei 200º quasi anheizen. Temperatur auf 140º bis 150º reduzieren und 4 bis 5 Stunden garen lassen. (Zur Kontrolle der Hitze empfehlen wir dringend die Verwendung eines Ofenthermometers.)
  11. Topf öffnen. Kräuterbündel, (Speck) und Kalbsfüsse herausnehmen. Das Fleisch von den Kalbsfüssen lösen (wo noch nötig), ev. kleinschneiden und zurück in den Topf geben. Hat man keinen Speck aufgelegt, dürfte die oberste Schicht der Kutteln etwas braune Farbe angenommen haben. Gibt man etwas Sauce darüber, merkt man von dieser kleinen Kruste aber bald nur noch wenig.
  12. Mit Salz und Pfeffer nachwürzen. Sollte die Sauce nicht dick genug sein, kann man etwas davon in einer separaten Pfanne leicht einkochen. (Oder man stellt den ganzen Topf auf den Herd und lässt alles nochmals kurz köcheln bis die Konsistenz stimmt – eine zugegeben etwas brutale Methode, die sich wie eine unerhörte Regelverletzung anhört, den Geschmack aber für unser Empfinden nicht beeinträchtigt.)

Variante

Die Zutaten lassen sich variieren, je nach Anzahl der Tischgenossen, die man erwartet. Für vier Personen haben wir zum Beispiel erfolgreich wie folgt portioniert: nur 1.2 kg Kutteln, nur 3 grosse Karotten, nur 3 Zwiebeln, nur 650 g Kalbsfüsse, nur 4 dl Cidre und nur 4 dl Hühnerbrühe - die übrigen Zutaten blieben sich gleich.

Frisch zusammengebundene Lauch-Kräutersträusschen.
Frisch aus dem Ofen sehen die Kutteln etwa so aus. Die Oberfläche ist leicht bräunlich, was sich durch das Auflegen von grünem Speck vermeiden liesse.
Testessen am 7. Januar 2012 in Basel.
Testessen am 11. Januar 2012 in Zürich.

First Publication: 7-1-2012

Modifications: 13-1-2012, 17-1-2012