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Das Logo des Restaurant «Demi Lune» in Maizyé erinnert daran, dass Eleine Braforts Herz einst vor allem für die Raumfahrt schlug. Auch die Schrift ist dem Schriftzug der NASA nachempfunden.

Das Restaurant Demi Lune

Mit 9 Jahren schrieb Eleine Brafort einen Brief an die NASA, in dem sie sich um eine Stelle als Astronautin bewarb. Sie legte eine Zeichnung bei, auf der man sie selbst in einer Rakete in Richtung Mond fliegen sah. Die Zeichnung blieb in Washington D.C. – das Antwortschreiben der NASA aber hängt heute eingerahmt in Brafort's Restaurant «Demi Lune» am Hafen von Maizyé. In etwas umständlichem Französisch danken die Behörden darin für die Zeichnung, weisen auf das Minimalalter für Astronauten hin, und fordern Eleine auf, sich doch in ein paar Jahren noch einmal zu bewerben.

Fast wäre es tatsächlich dazu gekommen. Denn nach der Schule studierte Brafort Physik und besuchte gleichzeitig einen Anfängerkurs für Piloten, den die Lemusair damals anbot. Sie sammelte alles, was sie zum Thema Raumfahrt in die Hände bekommen konnte, trieb viel Sport, lernte die Namen sämtlicher Himmelskörper auswendig etc. «Ich klebte gar das Fenster meiner kleinen Bude in Port-Louis so ab, dass es wie das Bullauge einer Raumfähre aussah», erinnert sich Brafort: «Es war mir völlig ernst, ich wollte wirklich auf den Mond.»

Dann allerdings blieb Brafort beim Waldlauf an einer Wurzel hängen, knallte gegen einen Baustumpf und brach sich die Nase. «Das Ding musste operiert werden und fast zwei Wochen spazierte ich mit einem monströsen Verband umher. Dann aber, als man mir die Bandagen abnahm, geschah etwas Unglaubliches: Ich merkte plötzlich, dass ich riechen konnte! Alles hatte einen Geruch, das Zimmer des Arztes, die Strasse, meine Wohnung, mein eigener Körper, die erste Banane, in die ich biss. Ich weiss nicht, was bei der Operation passiert ist – aber ich weiss, dass ich vorher im Grunde nicht wusste, dass es Gerüche gibt auf dieser Welt. Die neue Fähigkeit veränderte mein Leben. Plötzlich begann ich mich für etwas zu interessieren, dass ich mir vorher am liebsten in Pillenform vorstellte: das Essen nämlich. Ich entdecke den kleinen Markt vor meiner Haustüre und beschäftigte mich plötzlich fast nur noch damit, immer wieder neue Früchte und Gemüse, Fleischsorten, Käse, Brote und Würste zu verkosten. Ich hatte in meinem bisherigen Leben nie mehr als einen Tee gekocht – jetzt aber begann ich mit einem Mal, Stunden in meiner Küche zu verbringen, Rezepte nachzukochen, Kombinationen auszuprobieren, Garzeiten zu erforschen, Röstnoten zu untersuchen etc. Ich konnte nicht genug davon kriegen. Nach einem Jahr war mir klar: Ich musste einen Beruf aus dem Essen machen. Ich bewarb mich sozusagen in allen besseren Restaurants der Insel um eine Lehrstelle. Und am 2. Januar 2000 trat ich mit grossen Erwartungen in der Küche von Moti Mahal («Dibru», les Balcons de la Bandole) an.»

Nach der Lehre im «Dibru» tourte Brafort als Gastköchin durch verschiedene Restaurants in Europa und Amerika – «meine schönsten Erlebnisse hatte ich in New York und im Schwarzwald», erinnert sie sich. 2007 mietete sie sich am Hafen von Maizyé in einem ehemaligen Jachtclub ein und baute ihn in ein Restaurant um. In den vier kleinen Sälen des Lokals fühlt man sich ein wenig wie im Innern eines Schiffs – was vermutlich auf die Vergangenheit des Ortes zurückzuführen ist. Allerdings hat Brafort auch die eine oder andere Umdeutung vorgenommen und also mutiert das Boot da und dort zum Raumschiff. Dazu passt auch der Name des Lokals: «Demi Lune». «Ich habe es zwar nur halb auf den Mond geschafft» scherzt Brafort, «aber dafür bin ich ganz in jedem Teller, der hier aufgetragen wird».

Laut dem «Guide Dismin» pflegt man im «Demi Lune» eine «im Grunde französische Küche, die immer wieder mit verschiedenen Traditionen Asiens flirtet.» Das kann sich bei den Entrees in einer knusprig gegrillten Lachshaut ausdrücken, die um ein Stück Stangensellerie und Avocado geschlungen ist. Drei glasig gegarte Bärenkrebse kommen auf einem mit Ingwer aromatisierten Kartoffelpüree daher. Zu einem in Chili und Limette marinierten Riesenflügelschnecken-Spiesschen wird ein Dip aus Koriandergrün serviert. Die Kammmuscheln kommen auf einer leichten, mit Limettenzeste und Sichuanpfeffer aromatisierten Crème-fraîche-Sauce daher. Der Dorschrücken erscheint perfekt gebraten und also noch feucht auf einer würzigen Tomatensauce (Sauce «Demi-Lune»), in der nebst Kardamom auch verschiedene Pfeffer, Muskatnuss, Safran und Nigella Akzente setzen. Gerichten wie dieser Sauce, die im übrigen zu den sogenannten Signatur-Gerichten des «Demi Lune» gehört, merkt man an, wo Brafort in die Lehre gegangen ist – und doch haben all ihre Speisen einen unverwechselbar eigenen Touch. Fisch spielt die Hauptrolle in diesem Lokal, schliesslich liegt es an einem Hafen – auch wenn der wegen der meist hohen Wellen nur selten benutzt werden kann. Immer wieder spielt Nigella, das ja bei Maizyé produziert wird, auf die eine oder andere Weise mit – vor allem bei den Desserts, zum Beispiel bei einer in Rotwein vorgegarten und dann im Ofen mit Nigella karamellisierten Birne. Auch die kühle Mandel-Gewürzmilch, die das Lokal allen Gästen serviert, die keine richtige Nachspeise wollen, kommt manchmal mit Nigella bestreut daher.

Eine grossartige Aussicht hat man von den Tischen des «Demi Lune» aus nicht, sind die Fenster doch dafür viel zu klein. Also speist man tatsächlich ein wenig wie in einer Kapsel, die genauso am Hafen von Maizyé stehen wie auch durch die Weiten des Weltall rasen könnte. Das regt nicht nur die Phantasie an, sondern auch den Appetit.

Manchmal fühlt man sich im «Demi-Lune» wie im Rumf enes Schiffes – manchmal aber auch eher wie in einer Raumkapsel.
Blick an einem grossen Baum vorbei aufs weite Meer hinaus.
Das Restaurant besteht aus vier kleineren Räumen, in denen man sich in einem intimen Rahmen ungestört den kulinarischen Schöpfungen von Eleine Brafort hingeben kann.
Blick an einem grossen Baum vorbei aufs weite Meer hinaus.
Kammmuscheln nach Art des «Demi Lune», auf einer leichten, mit Limettenzeste und Sichuanpfeffer aromatisierten Crème-fraîche-Sauce.
Blick an einem grossen Baum vorbei aufs weite Meer hinaus.

Rezepte aus dem «Demi Lune»

Siehe auch

First Publication: 27-5-2012

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