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Logbuch der «PS Narina»

Tag 26

Luft- / Wassertemperatur: 24°C (19°C nachts) / 9°C

Windrichtung / Bft: Ost / 1 – Seekarte der Reise

Gebiet: OSTREIDIA (zaghaftes Zittern an der Oberfläche)

Kombüse: Königsgelbschwanz (3 kg) ausnehmen und schuppen, Kopf und Schwanz abtrennen. ½ TL gemahlenes Kurkuma, 2 EL scharfes Chilipulver mit 2 EL Kokosöl zu einer Sauce verrühren. 30 g Ingwer, 6 Zehen Knoblauch und 1 EL Salz im Mörser zu einer Paste zerreiben. 1 EL Kokosöl in einer Pfanne erwärmen, 1 EL braune Senfkörner, 1 TL Bockshornklee, 1 EL Koriandersamen anbraten bis es duftet. Ingwer-Knoblauch-Paste aus dem Mörser beigeben und kurz anziehen lassen. 1 fein gehackte Zwiebel beigeben und glasig dünsten. Kokosöl-Gewürz-Sauce einrühren und kurz anziehen lassen. Mit 1 L Wasser ablöschen. 2 EL Tamarindenkonzentrat und 6 Zweiglein Curryblätter beigeben, aufkochen lassen, Hitze reduzieren und 10 Minuten köcheln lassen. Fischkopf und Schwanz beigeben, 30 Minuten bei kleiner Flamme köcheln lassen, Kopf und Schwanz gelegentlich wenden. Fischkörper salzen, pfeffern und mit etwas Öl einreiben, einige Scheiben Ingwer in die Bauchhöhle legen. Im auf 220º vorgeheizten Ofen 10 Minuten backen, dann Hitze auf 180º reduzieren und weitere 20 Minuten garen. Den gebackenen Fisch und den Fisch in Sauce zusammen mit etwas Reis servieren. (Weitere Rezepte vom Smut der «PS Narina»)

Beobachtungen

Durch eine Unachtsamkeit ist eine kleine Schnittwunde im linken Zeigefinger wieder aufgeplatzt. Sie stammt von einer Auster, die ich kurz vor unserer Ablegung genoss. Während ich ihr mit dem Messer zwischen die Schalen ging, schnitt sie mir mit einer scharfen Kante ins Fleisch. Ich überlebte – sie nicht. Dieser Ausgang des Kampfes stand von Beginn an fest. Und doch plagt mich der Schnitt ein wenig, auch nach einem Monat noch, zumal er partout nicht richtig verheilen will. Nun hätte ich die Auster ja mit einem Tuch angreifen können – oder gar mit einem jener Kettenhandschuhe, die ihre Träger wie Ritter aussehen lassen, angetreten zum Tournier gegen die Conchilikultur. Wobei die Masse rasselnden Stahls in einem seltsamen Missverhältnis steht zu dem bisschen Zartfleisch, zu dessen Freilegung sie sich gerüstet hat. Das allein kann schon Grund genug sein, auf den Schutz der Ketten zu verzichten. Auch fühlt es sich seltsam richtig an, die Auster mit der blossen Linken zu fassen – selbst wenn sie den einen oder anderen Schnitt in unserer Hand hinterlässt. Geht es darum, ihr die Chance auf etwas Gegenwehr zu geben, sich selbst etwas weniger dominant zu fühlen? Wollen wir im Gegenteil die Auster spüren, und unsere Überlegenheit? Suchen wir diesen kleinen Schmerz, weil er die existentielle Seite des Austernverzehrs steigert? Bei kaum einem anderen Nahrungsmittel ist die Spanne zwischen Tötung und Konsum vergleichbar kurz – erfolgt der Exodus doch gewissermassen in unserer Kehle. Damit tritt auch das dialektische Verhältnis zwischen unserem Überleben und dem Tod der Auster besonders deutlich hervor. Würden Handschuh oder Tuch diese Verhältnisse verschleiern, etwas Gekochtes ins Rohe hinein bringen?

Jetzt beschnuppert Oskar die kleine Blutlache, die aus meinem Zeigefinger zu Boden gekullert ist – ein Tropfen nur, für Oskar aber ein kleiner See, in dem er sein eigenes Papierboot könnte fahren lassen.

Nächster Tag (27)

First Publication: 4-2-2013

Modifications: 9-4-2013, 11-11-2014