Die Landschaft gleicht einem Stück Papier, auf das eine Hand ohne Plan oder Absicht ein paar schwarze Zeichen gekritzelt hat – da steht ein Bäumchen starr in der Winterluft, dort ragt ein Felsen aus dem Schnee. Die Welt ist hell und dunkel zugleich – Dämmerung mitten am Tag, ganz in Grau gehalten.
Wie kalte Butter schlagen mir die Schneeflocken ins Gesicht. Eiskristalle bleiben in den Wimpern hängen, schmelzen unter dem warmen Druck der Tränen, die mir der Frost aus den Augen treibt, laufen als gesalzenes Wasser über die Wangen, auf die Lippen, in den Mund.
Man weiss nie, wie tief man einsinken wird – mal nur bis zu den Knöcheln, mal bis zu den Oberschenkeln. Dann hat es plötzlich Eis unterm Schnee, man rutscht, fällt. Längst habe ich den Pfad verloren. Vielleicht haben ihn meine Augen vor lauter Anstrengung nicht mehr ausmachen können – oder er hat einfach aufgehört. In dieser Landschaft sehe ich Spuren, die keine sind – und wo ich glaube, der Schritt führe nach oben, führt er tatsächlich hinab.
Gerne würde ich den Schrei einer Krähe hören, das muntere Zirpen einer Alpendole, den Ruf eines Skifahrers. Doch da ist nur das Plop der Flocken auf meiner Jacke, das trockene Quietschen meiner Stiefel im Schnee und das dumpfe Rauschen des Windes, der mir unter die Kapuze fährt.
Wenn ich zurückblicke, dann sehe ich schon unmittelbar hinter mir kaum noch die Spuren meiner Füsse – und nach ein paar wenigen Metern verliert sich die Fährte im Grau. Ich komme mir vor wie ein Text, der mit einer lichtscheuen Tinte auf ein Blatt Papier geschrieben wird – die Worte sind kaum zu Ende gebracht, da löst sich der Anfangsbuchstabe schon wieder auf.
First Publication: 25-4-2014
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