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Tokyo (Japan) Kiyomizu Kannon-do
Buddhistischer Tempel im Ueno Park
Donnerstag, 17. Juli 2014

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Es gibt in Japans Städten kaum eine grössere Strasse, in der nicht wenigsten fünf Getränkeautomaten stehen – meist säuberlich in Reih und Glied. Auch beim Besuch abgelegener Ausflugsziele oder auf Wanderungen kann es vorkommen, dass man mitten in einem Wald plötzlich einem leuchtenden Automaten-Quartett gegenübersteht, das sich trotz fehlenden Publikums geduldig an seine kleine Partitur hält: Piepstöne und mechanische Stimmen, unterlegt vom dumpfen Zittern der Kühlelemente.

Rätselhaft ist, warum da immer mehrere Automaten nebeneinander stehen, die alle mehr oder weniger dieselben Getränke anbieten. Denn mit einem Grossansturm durstigen Publikums ist an dem meisten Orten kaum zu rechnen. Stecken da konkurrierende Anbieter dahinter? Oder stellt man sich in der Heimat des Tamagotchi vor, so eine Kiste würde sich ganz alleine in dem grossen dunklen Wald etwas verloren fühlen?

Es gibt in Japan zahllose weitere Automaten, an denen man Zigaretten, Bücher, Museumseintritte, Fahrkarten, Massagen etc. kaufen kann – ganz abgesehen von den ganzen Spiel- und Karaoke-Maschinen, die meist in riesigen Spielhöhlen stehen und dem Wort «Nervosität» eine ganz neue Dimension verleihen. Manches leuchtet an so manchem Ort ja auch sofort ein.

Ein grosses Fragezeichen aber hängt über jenen Automaten, die in fast allen einfacheren Nudelbars stehen. Mögen die Räumlichkeiten noch so eng beschaffen sein, für einen Automaten scheint da immer Platz. Die Kisten funktionieren ein wenig wie Fahrkarten-Automaten: Man wählt aus einem guten Dutzend Optionen, die in Schrift und Bild vorgestellt werden, schiebt eine Banknote in einen Schlitz, drückt eine Taste und erhält nebst dem Wechselgeld ein kleines Ticket, mit dem man sich dann zu der Theke begibt, die meist keine zwei Schritte entfernt ist. Der Nudelkoch nimmt das Ticket entgegen und legt los – wenn er denn nicht, was ab und zu vorkommt, eine kleinere Panne des Automaten beheben oder das Angebot justieren muss. Auch die Japaner, die ich darauf angesprochen habe, konnten mir den wahren Grund für die Präsenz dieser Automaten nicht nennen. Arbeitsersparnis? Wohl kaum. Kontrolle der Angestellten oder der Geschäftspartner vielleicht? Schutz vor Überfällen? Oder hygienische Gründe? Sicher stecken irgendein überaltertes Gesetz oder eine absurde Regelung dahinter. Da stelle ich mir lieber vor, die Liebe der Japaner zum Automaten schlechthin sei so gross, dass sie auch in der Nudelbar nicht ohne sein wollen.

Und diese Liebe geht weit, ja sie reicht gar über das Hier und Jetzt hinaus in jene Zukunft, von der das Omikuji dem Rat und Richtung Suchenden erzählt. Vor dem buddhistischen Tempel im Ueno-Park auf jeden Fall ist es ein Automat, der gegen ein kleines Entgelt den Papierstreifen mit meiner Zukunft aus der Höhle des Orakels holt. Für Langnasen gibt es das Omikuji sogar auf Englisch – und bei der Lektüre kommt keinerlei Zweifel auf: ganz sicher wurde auch die Übersetzung von einem Automaten besorgt.

Siehe auch

First Publication: 25-8-2014

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