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Wer sich nicht vom schlechten Ruf des Dresdner Sauerbratens abschrecken lässt und ihn eigenhändig zubereitet, der macht die Bekanntschaft eines auf ganz spezielle Weise würzigen Küchenkunststücks. (August 2015)

Dresdner Sauerbraten

Braten vom Rind, mit Gewürzen in Sauermilch mariniert, mit Speck geschmort – ein Rezept zu Peter Polters Episoda 150802 Dresden Theaterplatz

Sauerbraten werden in diversen Regionen der deutschsprachigen Welt gekocht: im Rheinland, in Schwaben und Franken, im Thurgau, in Basel und Bern. Die Sächsische respektive die Dresdner Variante aber hat geradezu den Status eines Nationalgerichts. Seltsamerweise haben wir nirgends eine Erklärung gefunden, was den Dresdner Sauerbraten ausmacht – die Rezepte indes sprechen für sich: das Fleisch wird nämlich nicht in Essig, Bieressig, Apfelwein oder Rotwein sauer eingelegt, sondern in Buttermilch.

In Dresden gilt der Sauerbraten vielen Zeitgenossen als eine typische Touristenfalle – und er wird in den Lokalen im Zentrum der Stadt auch tatsächlich in sehr unterschiedlichen Qualitäten angeboten. Die bekömmlichste Version haben wir in der «Kurfurstenschenke» an der Frauenkirche bekommen, wo der Braten mit einer «pikanten Rosinensosse» serviert wird. Das Fleisch war feinfaserig und relativ trocken, die hellbraune Sauce leicht säuerlich und leicht süsslich, dezent gewürzt (wir glaubten Zimt, Pfeffer, Muskat und Nelken zu riechen) – nicht schlecht, aber auch nicht sehr eigenwillig.

Wer sich vom schlechten Ruf des Dresdner Bratens nicht abschrecken lässt und das Fleisch selbst zubereitet, der macht die Bekanntschaft eines auf ganz unverwechselbare Weise würzigen Küchenkunststücks. Schon beim Beizen des Fleisches entwickelt sich mit jedem Tag mehr ein geheimnisvoller Duft, der wohl auf das Zusammentreffen von Fleisch und Buttermilch zurückzuführen ist und von den Gewürzen zusätzlich angetrieben wird. Dieser liebliche, an die Luft in Patisserien erinnernde Odeur, übersetzt sich beim Schmoren des Fleisches in ein ebenso singuläres, jedoch stärker körperliches Aroma. Der Geschmack von Sauce und Fleisch ist auf eine Weise würzig, süsslich und ganz leicht säuerlich, wie man es sonst vor allem von sizilianischen Rezepten kennt. Eine Testperson unseres ersten Versuchs war sogar überzeugt, die Sauce sei mit Orangenzeste und Saft gewürzt.

Das Fleisch sollte wenigstens vier Tage in der Marinade liegen. Die genaue Kochzeit hängt von dem verwendeten Stück ab – wir nehmen im Rezept ein Schulterfilet, das etwa zwei Stunden garen muss. Zum Sauerbraten werden traditionell Apfelrotkraut und Kartoffelknödel serviert. Wir tischen den Braten lieber nur mit Knödeln auf weil das Rotkraut die feine Sauce des Fleisches sonst verdünnt und mit einem Kohlaroma überdeckt.

Marinierzeit 4 bis 5 Tage
Kochzeit 130 Minuten

Zutaten (als Hauptspeise für 2 bis 4 Personen)

Zutaten 700 g Schulterfilet vom Rind

2 Zwiebeln (180 g), in Schnitzen

2 Karotten (150 g), geschält, in fingerdicken Rädchen

2 Lorbeerblätter

3 Gewürznelken

1 TL Schwarzer Pfeffer, ganz

1 TL Wacholder

1 TL Piment

8 dl gesäuerte Buttermilch

1 EL Rapsöl 

50 g feine Speckwürfel

2 TL Salz

50 g Basler Läckerli

Salz zum Abschmecken

Zubereitung

  1. Das Fleisch in ein Behältnis legen, das auf den Seiten des Stücks nicht mehr als etwa 3 cm Raum lässt (sonst braucht man zu viel Buttermilch). Zwiebel, Karotte, Lorbeer, Gewürznelken, Pfeffer, Wacholder und Piment beigeben, dann die Buttermilch zugiessen. Das Fleisch sollte komplett bedeckt sein. In den Kühlschrank stellen und vier bis fünf Tage ziehen lassen.
    Wir lassen das Fleisch in einer Vorratsdose aus Plastik ziehen, die wir mit einem Deckel verschliessen – das funktioniert bestens.
  2. Fleisch aus der Marinade heben, gut abtropfen lassen und dann mit Küchenpapier möglichst trocken tupfen.
  3. Öl in einem schweren Topf erwärmen, Speck dazugeben und anbraten bis es duftet. Fleisch dazu geben und allseits ausgiebig bräunen. Etwa die Hälfte der Marinade angiessen – alle Zwiebel- und Karottenstücke sowie die Gewürze aus der Marinade zugeben und das Salz einstreuen. Aufkochen lassen, Hitze reduzieren, Deckel aufsetzen, 40 Minuten schmoren lassen.
    Wie bei vielen Schmorgerichten hängt vieles vom Topf ab, den man verwendet. In einem schweren Topf mit einem Deckel, der das Kondenswasser wieder in das Gargut zurückführt, sollte das Klima immer ausreichend feucht sein. Besitzt man keinen solchen Topf, muss man vermutlich öfter kontrollieren und dann und wann etwas Wasser zugeben.
  4. Die Hälfte der verbleibenden Marinade angiessen, Fleisch wenden, Deckel wieder aufsetzen wie zuvor und weitere 40 Minuten schmoren lassen.
  5. Lebkuchen in der verbleibenden Marinade einweichen und dann zum Fleisch geben, das Stück erneut wenden, Deckel wie gehabt aufsetzen und weitere 30 Minuten schmoren lassen.
    In manchen Rezepten werden der Sauce erst Schwarzbrot, dann sogenannte Sossenkuchen, also spezielle Speisepfefferkuchen beigegeben, um sie zu binden und ihr eine gewisse Süsse zu verleihen. In der Schweiz gibt es kein richtiges Schwarzbrot wie es in Deutschland üblich ist – und auch keine Sossenkuchen. Wir geben stattdessen Basler Leckerli hinein, wie man sie in Helvetien an jedem Kiosk bekommt – das funktioniert ganz gut. Manche Rezepte geben dem Dresdner Sauerbraten auch noch Rosinen zu – wir verzichten darauf.
  6. Deckel abheben und 10 Minuten bei leichter erhöhter Hitze etwas eindicken lassen. Fleisch aus der Sauce heben und warm stellen. Sauce durch ein Passevite geben und zurück in den Topf fliessen lassen. Sauce sanft erwärmen, mit Salz abschmecken. Fleisch fingerdick aufschneiden und mit ausreichend Sauce beträufelt servieren.
    In vielen Rezepten wird die Sauce zum Schluss mit saurer Sahne abgerundet – ohne scheint sie uns ihren ganz eigenen Charakter eindeutiger auszuspielen.
Wir lassen das Fleisch in einer Vorratsdose aus Plastik ziehen, die sich mit einem Deckel verschliessen lässt. (Zürich, August 2015)
Fleisch und Marinade entwickelt mit der Zeit einen geheimnisvollen Duft, der ein wenig an die Luft in einer Patisserie erinnert.
Nach 5 Tagen in der Marinade – die Säure aus der Buttermilch bewirkt beim Fleisch eine Denaturierung des Eiweisses, die Farbe verändert sich.
Nachdem wir die Sauce passiert haben, geben wir sie in den Topf zurück und wenden den Braten kurz darin – ehe wir ihn aufschneiden.
Wir servieren den Dresdner Sauerbraten ohne Apfelrotkraut – nur mit Knödel (hier mit einem Semmelknödel).
Die «Kurfürstenschenke» an der Frauenkirche in Dresden serviert einen ordentlichen Sauerbraten mit einer «pikanten Rosinensosse», Kartoffelknödeln und Apfelrotkohl. (August 2015)

First Publication: 15-8-2015

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