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Aus der Nähe betrachtet erinnert die Haut einer reifen Zwetschge an einen Nachthimmel, durch den Nebel treiben – trotzdem leuchten die Sterne hell. Oder schauen wir zu, wie sich Milchstrassen verkrümmen. (September 2015)

Zwetschge

Und das weiss das Lexikon

Die Zwetschge (Prunus domestica subsp. domestica; engl. german prune, damson, plum; frz. quetsche, pruneau, prune de Damas,; span. ciruela; ital. prugna) gehört zu den Pflaumen (Prunus domestica). Im Unterschied zu anderen Pflaumen sind Zwetschgen aber länglich geformt, meist von markant blauer Farbe und stark beduftet (das heisst von einer dünnen Wachsschicht bedeckt). Laut Teubners «Grossem Buch vom Obst» 1215 (S. 45) haben sie auch die besseren Fruchteigenschaften: «Zwetschen sind festfleischig, gut steinlösend und besser zu transportieren, daher werden sie heute in Anbau und Handel bevorzugt.»

Geschichte. Laut Teubners «Grossem Buch vom Obst» (S. 44) stammen Pflaumen ursprünglich aus dem Gebiet zwischen dem Altai-Gebirge und dem Kaukasus. Sie kamen via Syrien nach Europa. Im 4. Jh. v. Chr. soll die Pflaume erstmals bei den Griechen erwähnt werden, etwa 100 v. Chr. soll sie nach Italien gelangt sein und dort mit den Römern über die Alpen. Gemäss Robert Habs und Leopold Rosner («Appetit-Lexikon», S. 382) gab es schon in römischer Zeit eine «erschreckliche Schar der Pflaumensorten, über die schon der alte Plinius jammerte.» Teubers Buch wiederum weiss, dass es schon zur Zeit von Karl dem Grossen «verschiedene edle Pflaumensorten» gab. Gegen Ende des 17. Jh. dann brachten laut derselben Quelle württembergische Soldaten vom Balkan die Zwetschg mit, die sich schnell weit verbreitete. Heute soll es mehr als 2000 Zwetschgensorten geben.

Etwas anders stellt Alan Davidson («Oxford Companion to Food», Kapitel Damson) die Geschichte der Zwetschge dar: «Die Zwetschge soll älter sein als die eigentliche Pflaume […] sie ist in Westeuropa seit prähistorischen Zeiten bekannt (Überreste fand man zum Beispiel bei Ausgrabungen der prähistorischen Schweizer Pfahlbauten). Sie wurde aber auch im Nahen Osten angebaut. Ihren Namen [engl. damson] erhielt sie weil die Frucht von Damaskus in Syrien aus in nachchristlicher Zeit nach Italien gelangte. Als der Herzog von Anjou um 1200 die Frucht von einem Kreuzzug zurück nach Frankreich brachte, fand eine weitere Taufe statt; das Obst hiess nun Damascene, derweilen die Kurzform Damson weiterhin für die Früchte gebraucht wurde, die schon vorher in Europa bekannt waren. (Es gibt Hinweise darauf, dass im Mittelalter und in der Tat bis ins 19. Jahrhundert hinein zwischen westeuropäischen Damsons und vorderorientalischen Damascenen unterschieden wurde).

In den 1960er Jahren breitete sich vom Balkan her eine Viruskrankheit aus, die Scharkavirose, welche den Beständen erheblich zusetzt – Scharkaresistenz resp. Toleranz gehört seither zu den zentralen Zuchtzielen.

Der Name Zwetsche oder Zwetschge (in Österreich und der Schweiz) taucht offenbar zum ersten Mal im 15. Jahrhundert in Süddeutschland auf. Seine Herkunft ist nicht geklärt – oder, wie es das «Appetit-Lexikon» formuliert: «Die [Philologen] haben mit all ihrer Weisheit noch immer nicht herausgebracht, wie das prunum Damascenum (die Damaszener-Pflaume) der Lateiner sich in ein deutsches Zwetsche oder Zwespe hat verwandeln können.»

Die Biologen sind sich einigermassen uneins, was die Zwetschge genau ist und was sie alles von den Kriechen und Spillingen, echten Pflaumen, Maranken und Mirabellen unterscheidet. Das «Appetit-Lexikon» widmet der Frage vier ganze Seiten und versucht auch, die wechselvolle Geschichte der Bezeichnung Zwetschge zu rekonstruieren – kommt aber dann doch nicht wirklich über die Feststellung hinaus, dass (S. 382) «ihre Zivilstandsakten sich in der denkbar traurigsten Verfassung befinden und man in dieser Familie tatsächlich nicht weiss, wer Mutter oder Tochter, Tante oder Nichte ist.»

Pflanze. Der Zwetschgenbaum wächst bis 6 Meter hoch, manchmal auch mehr. Die Laubblätter sind leicht länglich, mit gesägtem Rand und kahl. Die Blüten werden 2 cm gross und weisen fünf Kelchblätter und ebenso viele Kronblätter auf. Aus den Blüten entstehen länglich-eiförmige Steinfrüchte von 4 bis 8 cm. Sie haben reif eine blaue bis blauschwarze Farbe mit unterschiedlichen Rotanteilen. Der Kern ist länglich, flach und oft auf beiden Seiten sehr spitzig. Zwetschgen haben ein weissliches, grünliches oder gelbliches Fruchtfleisch, sind meist saftig, leicht süss und angenehm säuerlich. Wenn sie nicht am Baum reifen, bleiben sie aromatisch unbefriedigend. 

Charakter und Verwendung

Zwetschgen können frisch und roh verzehrt werden. Sie lassen sich zu Mus, Kompott oder Konfitüre verarbeiten oder in Alkohol einlegen. Man kann auch Schnaps aus Zwetschgen brennen oder sie als Belag für Kuchen verwenden. Im Ofen behalten sie Form und Saftigkeit besser als viele andere Früchte. Da die Erntesaison kurz ist und sich Zwetschgen nicht lagern lassen, wird ein grosser Teil der Früchte getrocknet. Die berühmtesten Trocken-Zwetschgen dürfte die AOC-geschützten Pruneaux d'Agen sein. Sie werden aus einer speziellen Zwetschgensorte hergestellt, der Prune d'Ente.

Dank ihrer guten Fruchteigenschaften ist die Zwetschge heute in Mitteleuropa die beliebteste aller Pflaumen – diese hier wächst am Gempen bei Basel. (September 2015)
Pflaumen sollen ursprünglich aus dem Gebiet zwischen dem Altai-Gebirge und dem Kaukasus stammen – dieser Zwetschgenbaum steht im kasachischen Zhongar Alatau, dem Heimatland des Apfels zwischen Altai und Tian Shan. (Juli 2015)
Form und Grösse stimmen schon, nur die Farbe muss noch werden – unreife Zwetschge im Zhongar Alatau.
Auch im Baselbieter Kirschenland am Gempen wachsen diverse Zwetschgenbäume. (September 2015)
Carlo Crivelli hat in einige seiner Heiligen-Bilder auch kleine Obst-Stillleben eingebaut – hier ein Paar Zwetschgen aus «La Madonna col Bambino» von 1482. (Milano, Pinacoteca Brera, Mai 2015)
Einer der wichtigsten Schädlinge am Zwetschgenbau ist der Pflaumenwickler. Dieser Schmetterling legt seine Eier auf der Unterseite von Früchten ab. Kaum geschlüpft bohren sich die Raupen in die Frucht hinein ernähren sich von deren Fleisch.
Fellenberg. Die mittelgrosse Frucht hat eine nachtblaue Farbe und ist nur leicht rötlich gebrochen. Das Fruchtfleisch ist gelblich, knackig, süss, mit angenehmer Säure und einem leicht an Pflaumen erinnernden Aroma. (Gekauft bei «Migros» in Zürich, August 2015)
Fey. Die Frucht ist länglich und dunkelblau, fast ganz ohne Rotanteil. Das Fleisch ist knackig, gelblich, nicht sehr süss, mit angenehmer Säure und einem feinen, sehr typischen Zwetschgenaroma. Eine unserer liebsten Sorten. (Gekauft auf dem Schönmatt-Hof über Arlesheim, September 2015)
Ortenauer. Die eher kleine Frucht ist eher rötlich als dunkelblau. Sie hat ein weiches Fleisch, das weder sehr süss ist noch ausgeprägt sauer, mit wenig Aroma. Laut Teubners «Grossem Buch vom Obst» (S. 42) soll sich die Zwetschge bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen lassen und ideal zum Backen sein. (Gekauft auf dem Schönmatt-Hof über Arlesheim, September 2015)
Rafzer. Die Frucht ist dunkelblau mit stark rötlichen Partien. Sie hat eher weiches Fleisch, schmeckt nicht sehr süss, auch nicht sehr sauer, manchmal etwas fad. Einzelne Früchte haben aber ein feines und sehr typisches Zwetschgenaroma. (Gekauft auf dem Bürkliplatz-Markt in Zürich, August 2015)
>Stanley. Die grosse, längliche und tief gefurchte Frucht ist dunkelblau mit nur wenig Rotanteil. Das Fleisch ist eher knackig, nicht sehr süss und nicht sehr sauer, aber mit einem feinen, wenn auch eher an Pflaumen erinnernden Aroma. Die Sorte wurde in den USA gezüchtet. (Gekauft auf dem Schönmatt-Hof über Arlesheim, September 2015)
Top. Die Frucht ist sehr gross und sehr blau mit wenig Rot. Sie hat einen auffallend kleinen Stein, der in einer grossen Höhung liegt. Das Fleisch ist knackig, eher sauer, der Geschmack wirkt trotz Grösse und Farbe eher unreif. (Gekauft auf dem Schönmatt-Hof über Arlesheim, September 2015)
Top King. Die Frucht ist dunkelblau mit wenig Rotanteil. Das Fleisch ist grünlich und oft knackig, ausgeprägt süss, mit angenehmer Säure. Top King schmecken sehr lebendig, haben aber kein wirklich typisches Zwetschgenaroma. Einzelne Exemplare können ein seltsames, ein wenig an Sauerkraut erinnerndes Aroma haben. (Gekauft auf dem Bürkliplatz-Markt in Zürich, August 2015)

Rezepte mit Zwetschge

  • Kapustnica (Säuerlich-rauchige Suppe aus Sauerkraut, Speck und Dörrzwetschgen)
  • Far breton (Kuchen aus Eiern Milch, Zucker, Mehl und salziger Butter, mit Dörrzwetschgen)
  • Au nom de Laozi (Eis mit Zwetschge und Ingwer)

First Publication: 6-9-2015

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