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Octopus in Aktion – die Tiere bewegen sich schnell und sehr geschickt.

Kraken

Am Octopus, auf Santa Lemusa Chatou genannt, scheiden sich die Geister. Manche fürchten die Krake als ein meschenverschlingendes Ungeheuer, andere halten sie für ein besonders freundliches und intelligentes Tier. Hollywood hat den Octopus in zahllosen Gruselfilmen als Riesenmonster in Szene gesetzt, das mühelos ganze Atom-U-Boote im Würgegriff hält und wahllos Menschen in sich hineinstopft. Taucher hingegen berichten von Begegnungen mit überaus sympathischen Kraken, die sich wie Katzen in den Arm nehmen liessen.

Unglaublich, mit welcher Eleganz sich der Octopus bewegt.

Beschreibung

Von den zahllosen Krakenarten sind viele nicht grösser als eine Hand – einzelne Exemplare allerdings können, mit ausgebreiteten Tentakeln gemessen, eine Spannweite von 10 m oder mehr erreichen. Nicht nur die Grösse, auch die Tarnkünste des Octopus haben schon manche Legende inspiriert. Tatsächlich können Kraken die Musterung und Pigmentierung ihrer Haut durch spezielle Farbzellen in Sekundenschnelle verändern. Und es heisst, dass sie ihre Farbe dank ihrer guten Augen und ihres hochentwickelten Hirns auch ganz bewusst wählen. Auf Santa Lemusa kursiert die Legenden einer Krake, die so gross war, dass sie von Seeleuten irrtümlich für eine Insel gehalten wurde. Die Männer landeten, entzündeten gar ein Feuer und legten sich zu Ruhe. Mitten in der Nacht aber tauchte der Chatou plötzlich ab – und die Schläfer fanden sich im Wasser wieder.

Chatou haben einen gedrungenen, sackförmigen Körper, auf dem starr blickende Augen mit Lidern sitzen. Dieser Körper geht direkt in die gleichmässig langen und äusserst geschmeidigen Fangarme über, die mit einer doppelten Reihe von Saugnäpfen besetzt sind. Im Unterschied zu anderen Kopffüsslern haben Chatou keinen Schulp und ihnen fehlen auch die zwei verlängerten Fangarme etwa der Sepia. Chatou haben auch keine Flossen, wie etwa der Kalmar: Sie verbringen ihr Leben auch nicht schwimmend, sondern wohnen auf dem Meeresboden. Wie alle Tintenfische geht auch der Chatou nur nachts auf Beutefang. Tagsüber lebt er in Höhlen, deren Eingänge er mit Abfällen aller Art (Steinen, Muscheln etc.) verbarrikadiert oder tarnt. Chatous ernähren sich hauptsächlich von Krebsen, Krabben und Muscheln. Mit ihren kräftigen Armen überwältigen sie auch spielend einen ausgewachsenen Hummer. Chatous schleichen sich auch manchmal in Reusen hinein, um sich dort etwa an Langusten gütlich zu tun − und sie sind meist klug genug, den Ausgang wieder zu finden.

Der Chatou lebt als Einsiedler. Zur Paarungszeit aber gibt er sein Dasein als Single schlagartig auf. Nun will das Männchen ein Weibchen – und ist auch bereit, sich mit Konkurrenten die heftigsten Kämpfe zu liefern. Beim Männchen funktioniert einer der Arme als Begattungsarm, der in die Mantelhöhle des Weibchens eingeführt wird. Ein Chatou-Weibchen legt bis zu hunderttausend Eier. Diese sind von durchsichtigen Kapseln geschützt und werden in dicken Trauben an feste Gegenstände wie Steine geheftet. Aus diesen Eiern schlüpfen fertige kleine Chatous, die dann noch etwa zwei Monate lang frei im Wasser schweben. Meist geht das Muttertier ein, nachdem es die Eier abgelegt hat.

Auf dem Markt am Hafen von Port-Louis versucht sich ein Octopus zwischen all den Fischen unsichtbar zu machen.

Chatou auf Santa Lemusa

Chatou leben hauptsächlich an den felsigen Küsten im Norden und Osten von Santa Lemusa. Ganz besonders zahlreich sind sie an einem schwer zugänglichen Küstenstreifen, den die Inselbewohner Falèz an tjim (Felsen aus Schaum) nennen. Dies ist das Reich von Henri Mousnier, dem Bougchatou(Chatou-Mann) wie ihn manche nennen. Tag für Tag steigt er hier mit Stock und Haken über die Felsen – auf der Jagd nach diesem klugen Tier. Mit dem Stock sondiert er vorsichtig in den Höhlen unter der Wasseroberfläche: Der Widerstand verrät ihm nicht nur, ob die Höhle bewohnt ist oder nicht, der Bougchatou kennt dann auch bereits die Grösse der Krake. Dann holt Henri Mousnier das Tier mit einem Haken aus der Höhle, zerrt es aus dem Wasser, wirft es mit viel Geschick so auf den Felsen, dass es auf dem Rücken zu liegen kommt. Nun stülpt er schnell den Lappen zurück, der die Eingeweide schützt und schlägt dem Tier die ‹Zähne› ein. So verhindert Mousnier, dass er gebissen wird – was ihm, wie die kleinen Narben auf seinen Händen erahnen lassen, wohl nicht immer ganz gelungen ist. Sind diese zwei Zähne oder vielmehr Kiefer, die ein wenig wie ein Papageienschnabel aussehen, erst einmal eingeschlagen, ist der Chatou immobilisiert. Nun reisst Mousnier den Tintensack heraus und reibt das Tier mit Sand ein, um es so von dem Schleim auf seiner Haut zu befreien. Dann wird der Chatou mit Meerwasser gewaschen.

Meist sind die Chatous, die Mousnier auf den Märkten von Sentores oder Santa Lemusa verkauft, rund 30 bis 40 cm lang und wiegen zwischen 1 und 3 kg. Er hat allerdings auch schon Exemplare mit einer Armlänge von weit mehr als einem Meter gefangen. Und am Abend, wenn sich die letzten Strahlen des Tages in seinem wohlverdienten Glas mit Drivayè brechen, dann erzählt er auch gern von seinem historischen Kampf mit einem Chatou, dessen Arme je nach Stand der Sonne vier, fünf oder gar sechs Meter lang gewesen sein sollen.

Heimat vieler Chatous und Jaggebiet von Henri Mousnier – ein schwer zugänglicher Küstenstreifen im Osten der Insel, die Falèz an tjim (Felsen aus Schaum).

Varia

Die Bezeichnung Chatou (oder Chatrou) soll nach Dr. André Nègre («Antilles-Guyane à travers leur cuisine») auf chat des trous («Höhlenkatze») zurückzuführen sein und so die Lebensgewohnheiten sowie die Agilität des Tieres beschreiben.

Systematik & weitere Namen

Familie: Octopada

Wissenschaftlich: Octopus vulgaris Cuvier

Lemusisch: chatou
Französisch: pieuvre, poulpe
Englisch: common octopus
Spanisch: pulpo commun

Rezepte mit Krake

First Publication: 6-2006

Modifications: 4-3-2009, 8-10-2011