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Eine geheimnisvolle Schönheit: Frida Grisini hinter ihrem kleinen Stand an der Place des Herbes im Zentrum von Port-Louis.
Eine junge Frau hinter einem Marktstand, sie hat gefüllte Plastiktüten vor sich.

Frida Grisini

Eigentlich ist Frida Grisini gelernte Zahnhygienikerin – an den Wochenenden aber zupft sie mit spitzen Fingern das Fleisch von gekochten Schafsköpfen. Die kleinen Stückchen werden dann nochmals kurz angebraten und zusammen mit Zwiebelringen und einer scharfen Tomatensauce in ein Brötchen gepackt. Schafskopf gilt unter Kennern als Delikatesse – ist das Fleisch doch besonders zart und aromatisch. An guten Tagen verkauft Frida Grisini mehr als zweihundert dieser kleinen Brötchen – und gute Tage sind bei ihr fast schon die Regel. – Das hat seinen Grund allerdings vielleicht auch darin, dass die junge Frau eine ausgesprochene Schönheit ist – ja es heisst sogar, sie habe einst für ein bedeutendes Modehaus als Fotomodell gearbeitet. Frida Grisini allerdings lächelt nur, wenn man sie darauf anspricht – und bleibt die Antwort schuldig. Überhaupt wirkt sie ein wenig geheimnisvoll und verschlossen, wie sie da so dasteht in ihrer roten Schürze und voller Ernst an Lämmerschädeln herumklaubt. Aber wer weiss: Vielleicht ist es ja auch gerade diese Aura des Mysteriösen, die Kunden in Scharen zu Fridas Brötchen führt. 

Kleine Stärkung

Die kleine Bude an de Place des Herbes im Zentrum von Port–Louis gehört eigentlich Fridas Vater – doch an den Wochenenden verbringt der passionierte Kletterer seine Zeit viel lieber in den Bergen. Früher war der Stand von Freitag nach der Lunchzeit bis Montag früh geschlossen – entsprechend waren die meisten Kunden hungrige Angestellte aus den diversen Büros rund um die Place des Herbes. Eines Tages aber kam Frida auf die Idee, die Bude auch an den Wochenenden zu betreiben – und die delikaten Brötchen all jenen als kleine Stärkung anzubieten, die sich von Freitag bis Sonntag in den diversen Bars der Gegend zu einem Bier, einem Glas Wein oder einem Cocktail treffen. «Ich war damals gerade arbeitslos – und mein Vater hatte nichts dagegen. Ihm war es vor allem wichtig, dass er nichts damit zu tun haben musste. Und also hatte ich freie Hand».

In Erinnerung an Frida Kahlo

Das Geschäft lief von Anfang an ganz ausgezeichnet. Und nach wenigen Wochen schon gab Frida Grisini die Suche nach einer neuen Stelle als Dentalhygienikerin auf. «Ich verdiente in drei Tagen mit meinen Schafsköpfen weit mehr als in zwei Wochen mit dem Reinigen menschlicher Gebisse», erklärt Frida Grisini – und wie so oft bei ihr weiss man nicht recht, wie sie das wohl nun ganz genau meint. Das Mysteriöse passt indes auch ganz gut zu Fridas Name – hat ihr Vater sie doch in Erinnerung an Frida Kahlo so getauft. Umberto Grisini, damals noch Student der Rechte an der Universität von Turin, kam in den 1970er als Reisebegleiter nach Mexiko – und verliebte sich dort in eine mexikanische Kunststudentin, eine Tochter aus gutem Haus. Ihre Eltern waren gegen diese Verbindung und als die Tochter schwanger wurde, floh das Paar erst nach Florida und dann nach Santa Lemusa. Nach Fridas Geburt aber zog es die Mutter wieder in ihre Heimat zurück. Aus einem längeren Urlaub, den sie bei ihrer Familie verbrachte, wurde zuerst eine längere Beziehungspause und schliesslich eine definitive Trennung von Mann und Kind. «Ich habe meine Mutter nie wirklich gekannt und es war mein Vater, der mich aufgezogen hat – und doch fühle ich mich viel stärker als Mexikanerin denn als Italienerin. Vielleicht aber hat das ja auch mit meinem Namen zu tun – schade nur, dass ich nicht malen kann».

 

Nach ihrer Mexico-Reise liess Frida Grisni ihr Haus in dem berühmten Kahlo-Blau streichen.
Ein VW-Käfer steht auf der Strasse vor einem blau angemalten Haus.

Im Frühjahr 2004 hat Frida ihre Mutter in Mexiko besucht, zum ersten Mal: «Die Frau war mir völlig fremd, ja eigentlich sogar unsympathisch – die Stadt aber hat mir sehr gut gefallen». Natürlich war Frida Grisini auch in der Villa der Kahlo – und so beeindruckt, dass sie hernach ihr eigenes Haus in Port-Louis in dem berühmten Kahlo-Blau (dem Blau der Azteken) anstreichen liess. Der Besuch in Mexiko aber hat noch weitere Spuren hinterlassen: Seit jenem Frühling nämlich können sich die Kunden von Frida Grisini ihren Schafskopf auch in ein dünnes Fladenbrot, eine Art Tortilla wickeln lassen. Diese leckere Neuerung, in einer Gastrokritik des «Leko» auch schon als das «Wunder der Schafsköpfe» beschrieben, hat nun sogar auch Fridas Vater übernommen, der sich weiterhin während der Wochentage um die kleine Bude kümmert – wenn auch mit etwas weniger Erfolg als seine Tochter. 

Die Reste des Daily Business

Heute sind die Grisinis relativ wohlhabend – ja Frida hat sich kürzlich gar ein eigenes Auto gekauft (einen VW-Käfer natürlich, hergestellt in Mexiko). Doch das war nicht immer so und deshalb gehört es zu den Prinzipien der Familie, nichts zu verschwenden – vor allem nichts, was vom Schafskopf stammt, der das Wohl der Grisinis ja im Grunde bewirkt hat. Wenn Frida also abends ihre Bude schliesst, dann nimmt sie das übrig gebliebene Fleisch mit nach Hause – und verwandelt es dort mal in ein Curry, mal in eine scharfe Pasta-Sauce oder einen Kuchen. – Wer je ihre Blätterteigpastetchen mit einer weissen, leicht säuerlichen Sauce mit Schafskopf und Erbsen probiert hat, weiss mit welcher Virtuosität Frida Grisini die Reste ihres Daily Business zu verzaubern weiss. Ein weiteres Gericht, das es uns besonders angetan hat, ist ein Reis mit Schafskopf und Kapern, dessen Rezept wir auf diesen Seiten wiedergeben. Frida Grisini nennt den Reis scherzhaft Diri Pizza oder Diri Italien – weil die Farben von Kapern, Reiskörnern und Tomaten dem Grün-Weiss-Rot der italienischen Flagge entsprechen. Wir taufen das Gericht zu Ehren seiner Erfinderin allerdings lieber auf den Namen «Diri Frida». 

 

Schafskopf ist zart, aromatisch und gilt unter Kennern als Delikatesse.
Eine junge Frau bereitet an einem Marktstand Essen zu. Ein Kunde schiebt sich gerade eine Fladenbrotrolle in den Mund.

Siehe auch

 

  • Ein Rezept von Frida Grisini: «Diri Frida» (Reis mit Schafskopf)

First Publication: 8-2005

Modifications: 24-2-2009, 17-6-2011, 30-9-2011