D | E  

Neuste Beiträge

HOIO und Cookuk

  • Das Tagebuch von Raum Nummer 8 (Susanne Vögeli und Jules Rifke)
  • HOIO-Rezepte in der Kochschule – das andere Tagebuch

Etwas ältere Beiträge

Grosse Projekte

Mundstücke

Gewürze aus Santa Lemusa

Abkürzungen

Félix Gouda, Direktor von Dekolaj (links) und Samuel Herzog, Mitarbeiter von HOIO in einem Zuckerrohrfeld am Ufer der Lozoranj.

Dekolaj

Dekolaj – das ist der Name, der auf Santa Lemusa für alles steht, was mit Zucker zu tun hat: von der kannla bis zum wonm (vom Rohr bis zum Rum). «Dekolaj – Sikri épi Distilri» gibt als Datum für die Firmengründung das Jahr 1749 an und feierte 1999 ihren 250. Geburtstag. Dekolaj gehört heute einer handverlesenen Schar von Aktionären und wird seit dem Jahr 2000 von Félix Gouda geleitet – einem auf Zuckerverarbeitung spezialisierten Ingenieur, dessen Familie vor vielen Generationen aus der Gegend von Mandia (Südindien) nach Santa Lemusa kam. Dekolaj beschäftigt rund 140 Angestellte und verfügt auch über eigene Felder im Landesinnern östlich von Gwosgout. Dekolaj verarbeitet aber auch das Zuckerrohr von diversen Bauern der Umgebung, die unabhängig wirtschaften. Zuckerrohrfelder heissen auf Santa Lemusa pyès oder bitasyon (von französisch habitation), was daran erinnert, dass einst Sklaven wie Herren im Umfeld der Zuckerrohrplantagen wohnten. Die stattliche Fabrikanlage von Dekolaj liegt an einer Nebenstrasse rund 20 km südlich von St. Anne an Pyès. In ihrer Sikri (französisch Sucrerie, Zuckerfabrik) stellt Dekolaj verschiedene Zuckersorten sowie Bonbons etc. her und ihrer Distilri a wonm werden verschiedene Typen Rum gebrannt.

Dekolaj verfügt über hochmoderne Verarbeitungsanlagen. Daneben betreibt die Firma aber auch noch eine Fabrikanlage alten Stils, wo die ganzen Zuckerrohre auf ehrwürdigen Maschinen ausgepresst, der Sirup noch in grossen Steinbottichen ausgekocht und die Zuckerkristalle von Hand zu Kugeln geformt werden. Die Zuckersorten, die hier entsteht, haben einen ganz anderen Geschmack. Wer die Fabrik besucht, wird von Direktor Félix Gouda selbst oder einem seiner Assistenten freundlich über die Felder und schliesslich auch durch die Anlagen geführt. In der Fabrik ist die Luft so schwer und so voll von Zuckerduft, dass sich manche, so Gouda, «beim Verlassen der Anlage wie ein Stück Torte fühlen». Da hilft dann nur noch ein Gläschen Rum in der kleinen Bar, wo Dekolaj die ganze Palette seiner Zucker- und Rumprodukte zur Degustation und zum Verkauf anbietet.

Tag für Tag mit dem Fahhrad

Edgar Arome, der hier ausschenkt, war einst erster Brennmeister von Dekolaj – und trotz seiner bald neunzig Jahre fährt er immer noch Tag für Tag auf seinem Fahrrad von Port-Louis bis zur Fabrik. Wenn man ihn fragt (und manchmal auch wenn man ihn nicht fragt), erzählt der rüstige Rentner gerne, wie es früher war als er noch selbst an den heissen Kesseln stand und den besten Rum aller Zeiten produzierte. Und natürlich verlässt keiner das Lokal, ohne über Edgars berühmten Spruch gelacht zu haben: «Der Rum, wisst ihr, der Rum schadet der Leber nicht», erklärt Arome und zieht dabei seine silberfarbenen Augenbrauen hoch: «Denn bevor er deine Leber angreift, zerstört er dein Hirn». Wehe dem, der da nicht wenigstens ein höfliches Schmunzeln in sein Gesicht zaubern kann - ihm wird Edgar Arome bei einem besonders grossen Glas mit Engelsgeduld die Pointe erklären.

Die Werbung von Dekolaj

Im Verlauf ihrer langen Geschichte (die Gründung der Firma soll tief ins 18. Jahrhundert zurückreichen) ist die Firma Dekolaj immer wieder durch originelle Werbung aufgefallen. In den 1920er Jahren etwa machte die Firma mit einem Plakat auf ihre Produkte aufmerksam, das zeigte wie geheimnisvolle Kisten auf einen Frachter geladen wurden. Es ziemte sich damals nicht, für Alkohol zu werben – aber natürlich war mit «les meilleurs sucres» vor allem auch «les meilleurs rhums» gemeint. Für den Entwurf des Plakates verpflichtete Dekolaj die britische Plakatkünstlerin Sandy Hook – neben dem genialen A. M. Cassandre eine der begehrtesten Grafikerinnen jener Zeit.

Seit den 1950er Jahren produziert Dekolaj jährlich einen Kalender, der an Kunden verschenkt wird. So unterschiedlich die Themen dieser Kalender auch sind – immer kommt darin auf die eine oder andere Weise auch eine Seemöwe vor. Die Seemöwe ist das Wappentier der Firma. Für den Kalender des Jahres 2000 etwa engagierte Dekolaj einen Tierfotografen und für 2006 die Künstlerin Térèz Lung-Fou – in ihren Bildern trifft die Möwe auf den Schatten einer mysteriösen Figur. Die Motive der früheren Zucker- und Rum-Labels von HOIO wurden ebenfalls diesen Kalendern entnommen.

Der Name Dekolaj

Dekolaj übrigens nennt man auf Santa Lemusa auch das erste Glas Rum des Tages. Dekolaj kommt entweder von französisch décolage (Abheben, Start) oder von décollage (Entkleben). On dekolaj bezeichnet also jeners Glas, mit dem man ‹startet› - oder aber jenes Glas, das einem den Mund öffnet, die Zähne ‹entklebt›. Früher gab es on dekolaj schon früh am Morgen – heute wird meist erst der Abend mit on sèk, einem Glas Rum ohne Zucker, Sirup oder Eis eröffnet. Auch wenn es eine Vielzahl von Drinks gibt, die in der Karibik gemischt werden, die Bewohner von Santa Lemusa trinken ihren Rum am liebsten pur, also eben on sèk oder auch on pétépyé (was auf französisch soviel heisst wie un coup à se faire péter les pieds, also ein Schluck, der einen umhaut). Wenn nötig, kann man auf dieses Glas puren Rums on amortisè folgen lassen, ein Glas Wasser oder Saft, das den Effekt des on sèk amortisiert.

Viel schwerer Rauch: In einem Teil der Fabrik von Dekolaj wird der Sirup noch in grossen Steinbottichen ausgekocht.
Das von Sandy Hook in den 1920er Jahren für Dekolaj gestaltete Werbeplakat.
Das von Térèz Lung-Fou entworfene Juni-Blatt des Kalenders 2006 der Firma Dekolaj.

Siehe auch

First Publication: 1-2007

Modifications: 11-2-2009, 19-8-2011, 9-10-2012