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Der Innenhof des Couvent St. François mit seinen eleganten Arkaden.
Ein Innenhof mit sehr regelmässigen Arkaden.

Port-Louis: Couvent St-Francois

Wer heute den Hof des ehemaligen Couvent St. François (auf Karte anzeigen) im historischen Zentrum von Port-Louis betritt, wird von der Klarheit und funktionalen Strenge der ganzen Anlage überrascht. Kaum zu glauben, dass ein so kohärentes Ensemble mit längeren Unterbrüchen in verschiedenen Etappen und über einen Zeitraum von mehr als siebzig Jahren entstand. Während die Aussenwände des Komplexes mit nur wenigen Fenstern ausgestattet sind und überaus wehrhaft, ja abweisend wirken, ist die Innenseite von schier zahllosen Arkaden durchbrochen. Im Zentrum des Baus liegt ein Hof, der 74 Meter lang und an der weitesten Stelle gut 40 Meter breit ist. Um diesen Hof herum sind auf drei Etagen Räumlichkeiten angelegt, die insgesamt rund 8670 Quadratmeter umfassen. Jede dieser drei Etagen öffnet sich mittels einer Arkadengalerie hin zum Hof. Im Erdgeschoss ist diese Galerie 250 Meter lang, gut 3.50 Meter breit und wird von 62 Pfeilern gestützt. Man betritt den Convent von Süden her durch eine rund 6 Meter breite Öffnung zwischen den Arkaden.

Der Couvent St. François wird zwischen 1671 und 1742 in wenigstens vier grossen Bauetappen nach Plänen von Piero da Marsiglia errichtet. Ursprünglich sollte der Bau als Magazin, Warenumschlagsplatz und eventuell auch als Kaserne für die 1664 von Ludwig XIV gegründete Compagnie Française des Indes Occidentales dienen. Die Auflösung dieser Compagnie führt 1674 zu einem ersten Unterbruch der Arbeiten. Erst um 1687 entschliesst sich die Compagnie des Vingt, die den Handel auf der Insel seit 1674 kontrolliert, das Bauwerk weiterzuführen. Schon 1690 aber werden die Arbeiten erneut gestoppt. Zu diesem Zeitpunkt ist ein Flügel des Gebäudes bereits soweit vollendet, dass er als Magazin genutzt werden kann. Um 1694 werden die Arbeiten wieder aufgenommen – der Bau kommt indes nur schleppend voran. 1703 kommt es erneut zu einem längeren Unterbruch. Die Situation änderte sich erst um 1730 als sich der Franziskaner-Orden von Santa Lemusa für das halbfertige Bauwerk interessiert. Die Mönche dürften den Komplex zu einem wahrscheinlich sehr niedrigen Preis von der Compagnie des Vingt übernommen haben. 

Unter der Regie des Conventus fratrum minorum de Sancti Francisci in Sancta Lemusa werden die Arbeiten konsequent vorangetrieben. Ab 1734 bewohnen die Mönche des Ordens den Westflügel des Gebäudes und ab 1740 betreiben sie im Ostflügel ein Hospital und eine kleine Schule. Der geplante Bau einer mächtigen Kirche im Hof des Komplexes muss allerdings aus finanziellen Gründen verschoben werden. Statt dessen wird, ursprünglich sicher nur als Provisorium, eine hölzerne Kapelle errichtet, mit deren Weihung im Jahre 1742 der Komplex als vollendet angesehen werden kann.

Vom Magazin zum Kloster. Um 1750 wohnen etwa 200 Mönche in dem Kloster, 1770 sind es gar mehr als 300 – es ist der Höhepunkt des monastischen Lebens auf Santa Lemusa. Nach den Revolutionsjahren 1789-93 zählt der Convent nur noch knapp 100 Mitglieder, in der Ersten Republik (1813-1815) sinkt die Zahl gar auf etwa 60. Unter Oscar I. (1815-1832) und Königin Adrienne (1832-1848) erhält der Orden nochmals Zulauf und wächst auf etwas mehr als 100 Mönche an. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts aber nimmt die Zahl wieder sukzessive ab – als 1902 die Vierte Republik ausgerufen wird, zählt der Convent nur noch knapp 30 Mönche, 1914 gar nur noch 10. Umso erstaunlicher ist es, dass sich der Orden trotzdem bis heute erhalten hat – selbst wenn die Zahl seiner Mitglieder nie mehr über 30 hinauswuchs.

Mit dem zahlenmässigen Niedergang des Ordens gehen auch finanzielle Schwierigkeiten einher. Schon im frühen 19. Jahrhundert müssen Teile des Klosters geschlossen, andere für fremde Zwecke genutzt werden. Während sich die Mönche mehr und mehr auf den Westflügel zurückziehen, wird der Ostflügel mal als Polizeikaserne oder Armenhaus, mal als Stallung oder Lager verwendet. Um 1900 brennt die hölzerne Kapelle im Hof des Komplexes ab und wird nicht wiederaufgebaut – an ihrer Stelle werden zu einem späteren Zeitpunkt erst Laubbäume, dann auch Palmen gepflanzt. Von 1905 bis 1915 wird der Westflügel vorübergehend wieder als Hospital genutzt. Und während des Zweiten Weltkriegs dient der Convent als Flüchtlingslager – zwischen 1939 und 1944 sollen zeitweise mehr als 1000 Menschen in seinen Mauern gelebt haben. 

Umfassende Renovierung. In den 1950er und frühen 1960er Jahren wird der Komplex als billige Wohnsiedlung genutzt: Im Hof parken die Bewohner ihre Pferdefuhrwerke, Motorräder und Autos, zwischen den Pfeilern sind Wäscheleinen ausgespannt. Erst Mitte der 1960er Jahre wird der Komplex umfassend renoviert und 1968 werden in den Räumlichkeiten des Convents das Musée historique sowie die Bibliothèque et Archives Nationales von Santa Lemusa untergebracht. Das Museum umfasst heute nebst diversen Sammlungs-Räumen auch einige Säle, in denen regelmässig Wechselausstellungen gezeigt werden können. Nebst Museum und Archiv haben im Couvent St. François auch diverse Institute eine Heimat gefunden – und nicht zuletzt wohnen auf einer Etage des Westflügels auch heute noch die Franziskaner.

Die Aussenwände des Komplexes sind mit nur wenigen Fenstern ausgestattet und wirken überaus wehrhaft (hier die Westseite an der Rue de la Vlou).
Aussenwand eines grossen Gebäudes mit wenigen Fenstern.
Der Couvent St. François wird zwischen 1671 und 1742 in wenigstens vier grossen Bauetappen nach Plänen von Piero da Marsiglia errichtet.
Grundriss eines Gebäudes mit grossem Hof.
Um 1900 brennt die hölzerne Kapelle im Hof des Komplexes ab und wird nicht wiederaufgebaut – an ihrer Stelle werden zu einem späteren Zeitpunkt erst Laubbäume, dann auch Palmen gepflanzt.
Palmen in einem Hof mit Arkaden.
Blick in die östlichen Arkaden des Konvents.

Siehe auch

First Publication: 5-2006

Modifications: 18-2-2009, 30-9-2011, 24-6-2012