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Gewürze aus Santa Lemusa

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Kleine Fische, wie sie auf dem Markt am Hafen von Port-Louis täglich frisch angeboten werden, sind die ideale Grundlage für eine gute Buiepe – im Binnenland muss man Kompromisse eingehen.

Buiepe

Lemusische Fischsuppe

Wenn die Fischer von Port-Louis vor den schroffen Felsen der Côte Chimerik oder der Côte Blanche ihre Netze auslegen, dann bleibt in den Maschen nebst Delikatessen wie Seeteufel, Petersfisch, Rotbarbe, Steinbutt oder Blansche (Merlangius merlangus lemusanus, eine leider fast nur auf Santa Lemusa vorkommende Wittlingsart) auch manches hängen, das sich auf dem Markt schwerer verkaufen lässt: Kleine Fische mit eher vielen Gräten wie Drachenkopf, Petermännchen, Knurrhahn oder Meeraal. Dieser Beifang, auf dem die Fischer dann meist sitzen bleiben, wird auf Santa Lemusa wie in vielen anderen Fischereigegenden der Welt auch, meist zu einer kräftigen Suppe verkocht: Buiepe heisst diese auf der Insel.

Karriere einer Suppe

Natürlich wird die Buiepe längst nicht mehr nur in den Fischerhütten gekocht und gegessen – auch auf Santa Lemusa haben die Feinschmecker entdeckt, was für ein delikates Gaumenerlebnis diese urtümlichen Fischergerichte darstellen. Und die Restaurants bieten Buiepe heute in allen möglichen Verfeinerungen an.

Kein verbindliches Rezept

Klare Regeln, was alles in eine Buiepe gehört, gibt es nicht – ausser vielleicht Thunfisch, Lachs und Sardinen kann man fast alle Fische verwenden, wobei nicht alle den gleichen und auch nicht gleich viel Geschmack abgeben. Auch Krustentiere wie Crevetten oder Hummer können die Suppe bereichern. Das Prinzip der Buiepe besteht darin, aus grätenreichen Fischen und/oder Abfällen (vor allem Karkassen, doch eigentlich alles ausser Häuten, Kiemen und Galle) zusammen mit Gewürzen über einen längeren Zeitraum hinweg einen Jus zu kochen, in dem dann ganz am Schluss etwas edlere Fischstücke (oder auch Muscheln, Crevetten etc.) gegart werden. Dem entsprechend braucht es für den Jus eher Fische oder Fischteile, die leicht zerfallen – während sich für die Einlage (schon aus ästhetischen Gründen) eher festere Stücke eignen.

Bockshornklee, Rum und Hühnerbrühe

Ein markantes Gewürz der Buiepe ist Bockshornklee – oft wird es zusammen mit Knoblauch, Zwiebeln, Nelken, Chera und Pfeffer eingesetzt. Auch Kartoffeln, Karotten und Tomaten gehören meist dazu – und zum Schluss ein Gläschen Rum, ein wenig Limettenzeste und ein paar Safranfäden «für die höheren Töne», wie Corinne Roux vom «Hotel de la Mer» es nennt. Eine Eigenart der Buiepe ist, dass sie traditionell mit der auf Santa Lemusa so beliebten Hühnerbrühe gekocht wird – wobei viele Köche heute meist einfach Wasser mit etwas Salz oder aber einen leichten Fischfond verwenden. Das nachfolgende Rezept stammt im Grundsatz von Corinne Roux. Natürlich variiert das Aroma der Suppe je nach Fisch, den man verwendet. Insgesamt aber führt das Rezept zu einem dezent nach Fisch riechenden, tiefgründig würzigen, ganz leicht bitteren und wegen dem Rum auch etwas süsslichen Jus, in dem der Safran ein paar helle Töne setzt – ein Spritzer Limette bei Tisch bringt zusätzlich eine angenehme Frische hinein.

Auch wenn manche Restaurants ihren Gästen eine Bouillabaisse oder - wie hier das das Restaurant «La Marine» – eine «Boullabaisse» versprechen: Serviert wird dann doch die traditionelle Buiepe, die zwar ähnlich heisst aber ganz anders schmeckt.

Zutaten (für 4 Personen)

1 kg kleine, ganze Fische (StreifenbarbeDrachenkopf, Knurrhahn etc.) und/oder Fischabfälle (Seeteufel, Seehecht und Ähnliches)

2 EL Rapsöl

4 TL Bockshornklee

1 TL Fenchelsamen

6 Gewürznelken

2 TL schwarzer Pfeffer, ganz

½ TL Kreuzkümmel

2 Zwiebeln, gehackt

6 Zehen Knoblauch, zerdrückt

200 g Kartoffeln, geschält und in Stücken

150 g Karotte, geschält und in kleinen Stücken

100 g Fenchel, geputzt und in Stücken

3-4 Tomaten (500 g) abgezogen und gehackt

1.5 l leichte Hühnerbrühe

Salz

½ dl dunkler Rum (etwa Drivayè)

1 TL Safranfäden (ca. 400 mg)

Zeste von ein 1 Limette (deren Schnitze dann separat zur Suppe gereicht werden)

 

Als Einlage:

800 g Fischfilets – Sorten, die nicht so schnell zerfallen (nach Möglichkeit gleiche wie für den Fond, also zum Beispiel SeeteufelSeehecht)

Zubereitung

  1. Die Fische schuppen, ausnehmen und die Fischabfälle abspülen. Mit einem scharfen Messer oder einem Küchenbeil in kleine Teile zerlegen und beiseite stellen.
  2. Das Öl in einem grossen Topf erhitzen und den Bockshornklee zusammen mit Fenchelsamen, Gewürznelken, Pfeffer und Chera sorgfältig anrösten – bis die Bockshornklee-Samen goldbraun sind (nicht warten, bis sie rotbraun sind, sonst sind sie sehr bitter).
  3. Zwiebel, Knoblauch und die Fischstücke für den Fond hinein geben und etwa 10 bis 20 Minuten lang unter häufigem Rühren bei mittlerer Hitze andünsten.
  4. Kartoffel, Karotte, Fenchel und Tomaten beigeben, 1½ Liter leichte Hühnerbouillon dazu giessen und alles aufkochen lassen. Abschäumen, Hitze reduzieren und auf kleiner Flamme ½ Stunde lang (grössere Mengen auch etwas länger) köcheln lassen – dabei gelegentlich umrühren und immer wieder abschäumen.
  5. Den Jus durch ein feines Sieb in einen Topf giessen. Dabei die festen Bestandteile mit einem Holzlöffel zerstossen und (etwa mit der Rückseite einer Schöpfkelle) gut ausdrücken. Möglicherweise geht das Ausfiltern des Saftes leichter wenn man ihn zuerst durch ein gröberes und erst im Anschluss durch ein ganz feines Sieb drückt (siehe auch den Tipp am Ende des Rezepts). Die im Sieb zurückbleibende, teigig trockene Masse kann entsorgt werden.
  6. Rum, Limettenzeste und Safran beifügen und nochmals kurz aufkochen lassen. Auf mittlerer Flamme so lange köcheln lassen bis sich der im Moment des Beifügens etwas dominante Rumgeschmack in das aromatische Ensemble eingefügt hat (5 bis 10 Minuten). Mit Salz abschmecken.
  7. Hitze reduzieren. Die Fische für die Einlage sorgfältig in den Jus gleiten und garziehen lassen – dann herausnehmen und auf einer Platte anrichten, die Suppe in einem Topf. (Beim Garen sollte der Jus auf keinen Fall kochen – wenn der Fisch zu stark kocht verändert sich das Eiweiss des Fisches und er scheidet eine Leimschleim aus, was eher unappetitlich wirkt). Zur Suppe die geviertelte Limette servieren.

Optimierungen

Mit den folgenden zwei Methoden holt man beim Ausfiltern des Saftes (Schritt 5 im Rezept oben) noch mehr aus den Fischstücken.

 

  1. Zunächst drückt man den Fisch so gut es geht durch ein nicht allzu feines Sieb und achtet dabei darauf, verbleibende Stücke möglichst gut zu zerquetschen. Die ausgewrungene, teigige Masse aus Fischresten vermischt man nun wieder mit dem Saft und kocht das Ganze erneut auf. Dann giesst man die Suppe nochmals durch ein nicht ganz feines Sieb und drückt die Stückchen mit dem Rücken einer Schöpfkelle möglichst gut aus. Die nun im Sieb zurückbleibende Masse wird entsorgt. Der Jus vor der weiteren Verwendung noch durch ein ganz feines Sieb gegeben (damit auch wirklich keine Gräten in der Suppe schwimmen).
  2. Wer das Glück hat, im Besitz einer Kartoffelpresse zu sein, kann den Saft auch mit ihrer Hilfe aus den Fischstücken pressen. Natürlich müssen die Stück dafür so klein gehackt sein, dass sie in die Presse passen. Am besten giesst man erst den ganzen Jus durch ein nicht zu feinmaschiges Sieb ab – und presst dann die Rückstände sukzessive mit der Kartoffelpresse aus. Den dabei gewonnen Saft gibt man zur restlichen Suppe und filtert zum Schluss alles nochmals durch ein feines Sieb.

Versionen für Binnenländer

Wer nicht gerade am Meer oder in der Nähe eines ausserordentlich gut bestückten Fischgeschäfts lebt, dürfte möglicherweise Schwierigkeiten haben, sich die im Rezept auf dieser Seite genannten Fische zu besorgen. Auch haben Fischhändler nur noch selten Fischkarkassen parat, mit denen man die Suppe kochen könnte. Man muss deshalb möglicherweise ein paar Kompromisse eingehen. Wir haben in der Testküche von HOIO zwei Versionen mit Fischen ausprobiert, die sich in Binnenländern leichter auftreiben lassen.

Bei der ersten Version (für 4 Personen) haben wir für die Suppe eingekocht: 400 g kleiner Seehecht (gefroren), 200 g Streifenbarben-Filets (gefroren), Karkassen von 8 rohen Garnelen, Knorpel von 2 dicken Tranchen Seeteufel. Das Ergebnis war ein feiner, rötlicher Jus mit einem angenehmen, aber nicht allzu starken Aroma. Als Einlage haben wir serviert: 200g Streifenbarben-Filets, 8 ausgelöste Garnelenschänze und 4 Seeteufel-Medaillons.

Die zweite Version haben wir für 8 Personen gekocht – und also auch die doppelte Menge an Gewürzen etc. verwendet. Für den Jus haben wir in den Topf gegeben: 300 g Knurrhahn (3 Stück), 200 g Kapelan (3 Stück), 300 g Franzosendorsch (1 Stück), 150 g Streifenbarbe (3 Stück), 1 grosses Stück Meeraal von 400 g, Karkassen von 300 g gekochten Garnelen. Den Fisch haben wir in diesem Fall etwas stärker ‹ausgelaugt› als bei der ersten Version. Der Jus war nicht unbedingter fischiger – doch tiefer und komplexer, vielleicht auch ein wenig bitterer als bei der ersten Version. Als Einlage haben wir serviert: 800 g Schellfisch (Rückenstück) und 300 g ausgelöstse Garnelen (der Fisch war für 8 Personen etwas knapp und wir hätte uns etwa noch ein paar schöne Seeteufelmedaillons gewünscht).

Buiepe und Bouillabaisse

Das Wort Buiepe kommt von lemusisch bui (französisch bouillir, «kochen») und epe (französisch épais, «dick»). Eine sprachliche Verwandtschaft zu der berühmtesten aller Fischsuppen, der Bouillabaisse aus Marseille, ist da nicht zu verkennen: Bouillabaisse kommt von provenzalisch bouillabaisso, was sich nach dem etymologischen «Robert» offenbar aus bouillir («kochen») und baisser («reduzieren») zusammensetzt. Wobei die Buiepe traditionell etwas anders gekocht und vor allem ganz anders gewürzt wird als ihre Schwester aus Marseille. Trotzdem haben sich einzelne Restaurateure im Hafen von Port-Louis verführen lassen, ihre lokale Buiepe unter dem international renommierten Titel Bouillabaisse anzubieten - oder wie das Restaurant «La Marine» als orthographisch etwa abenteuerliche «Boullabaisse».

Gemessen an der ganze Arbeit, die sie macht, sieht die Buiepe nicht eben spektakulär aus. Sie hat jedoch einen einzigartiges, ganz leicht fischiges, tiefgründig würzigs Aroma.

First Publication: 1-2008 

Modifications: 7-2-2009, 18-10-2011