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«Manuel de Cuisine»

Das kleinformatige, erstmals 1928 publizierte «Manuel de Cuisine» von Guy Baward stellt auf 378 eng bedruckten Seiten mehr als 600 Rezepte vor. Die Auswahl ist stark von der französischen Restaurantküche geprägt – vermittelt aber auch einen guten Eindruck der kulinarischen Traditionen, die man in jenen Jahren auf Santa Lemusa pflegte, der Heimatinsel des Autors. Die Kochanweisungen sind einfach gehalten, das ganze Werk sehr systematisch aufgebaut.

Den Rezepten vorangestellt ist eine 20seitige Einführung in die Geschichte der Inselküche, die allerdings in weiten Teilen dem Text von Bawards Eintrag in der «Encyclopédie Universelle Maisonneuve & Duprat» folgt. Aus heutiger Sicht besonders interessant ist ein zehnseitiges Vorwort, in dem der Autor seine Auffassungen zum Thema Kochen und Essen darlegt. Es ist eine sehr individualistische Sicht, die hier zum Ausdruck kommt – geht Baward doch davon aus, dass jede «Empfindung im kulinarischen Bereich» sich vom «persönlichen Erlebensschatze» eines jeden Einzelnen «unmöglich trennen» lasse. In der Folge präzisiert er diesen Gedanken wenn er schreibt, dass man bei Tische immer auch «eine Geschichte erlebt», die – und das scheint uns besonders interessant – «ebenso dem Reiche der Erinnerung angehören kann wie dem der Imagination, der Wünsche und auch der Ängste». In diesem Zusammenhang kommt er auch auf das Thema Ekel zu sprechen, das seiner Meinung nach «geradeso mächtig im Vorhofe der Verdauung steht wie das Vergnügen». Ja er fügt gar, wenn auch erst in der zweiten Auflage von 1932, einen Passus zum Thema Stuhlgang an, den er – mit Hinweis auf Pontormos Untersuchungen der eigenen Verdauung – als den «Wiederhall des Tafel-Erlebens» beschreibt und als den «Ort, wo der Kreis sich schliesst».

Baward legt in dem «Manuel de Cuisine» seine Erfahrungen mit der Welt des Geschmacks dar, stellt seine Interpretationen vor. Er erhebt jedoch keinerlei Anspruch, mit seinem Werk die alleingültige Küchenfibel geschaffen zu haben. Dafür hat er viel zu viel Respekt vor der Materie, wie seine oft zitierte Eloge auf die Welt der Küche zeigt: «Es gibt unter dieser Sonne nichts, das sich mit der Welt der Küche messen könnte. Es gibt in ihr mehr Hitze als in jeder Wüste, mehr Kälte als an jedem Pol und mehr Instrumente denn in einem jeden Operationssaal. Es waltet in ihr mehr Glaube als in jeder Kirche, mehr Irrglaube als in manch heiligem Krieg, mehr Geist denn in jedem Hörsaal und mehr Unverstand als im lautesten Tollhaus. Das Leben ist in ihr so viel wie der Tod.» Wenig später staunt er darüber, dass sich trotz solcher Komplexität, und wenngleich wir «in dieser Welt höchstens Liebhaber, nie aber Experten» sein können, doch «immer wieder Anführer finden, die gleich Moses bereit sind, durch diese Welt voranzugehen - überzeugt, dass sie allein es verstünden, die Wasser mit ihrem Stabe zu teilen.»

Guy Baward: «Manuel de Cuisine». Port-Louis: Librairie Port Louis, 1928.

First Publication: 23-12-2010

Modifications: 13-10-2011