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Als Hektor Maille, geleitet von V-Mann Aral, in Tokio anlangte, lag halb Japan gerade im Kirschblüten-Rausch – eine Anstrengung der besonderen Art, für die man sich nur mit einer grossen Schüssel Tonkotsu-Ramen würdig entschädigen kann.

Tonkotsu-Ramen «Bugi»

Milchige Schweinebrühe mit Nudeln

Tonkotsu-Ramen sind ein Abenteuer. Weniger wegen der schweinischen Zutaten als wegen der Zeit, die es braucht, den milchigen Saft aus den Knochen und dem Fleisch quasi heraus zu kochen: 24 Stunden soll die Genese der Brühe dauern. Zur Erinnerung: In der Zeit dreht sich die Erde, ja doch eine ansehnlich grosse Pflaume, ein Mal um die eigene Achse. Das sind fast schon biblische Dimensionen.

«Schweineknochen»

Tonkotsu-Ramen sind eine Spezialität, die vor allem auf Japans südlichster Insel Kyūshū gerne gegessen wird – wobei Tonkotsusoviel heisst wie «Schweineknochen». Die Brühe ist milchig weiss bis hellbraun, hat eine cremige Konsistenz und ein kräftiges Schweine-Aroma. Ob die Brühe wirklich 24 Stunden kochen muss oder nur 6 oder gar nur 3, wie manche meinen, ist ebenso Gegenstand von Debatten wie die Heftigkeit, mit der die Suppe brodeln soll (einige Anmerkungen zum Thema Kochdauer und grundsätzliche Regeln für die Herstellung von Fleischbrühe finden sich im Kapitel zur «Rinderbrühe»). Bei den Einlagen respektive Garnituren sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt: Als Fleisch kommt oft Schweinebauch in Tonkotsu-Ramen, dazu manchmal Bohnensprossen oder ein Stück gekochte Gurke – ausserdem etwas Knoblauch, frisch gerieben oder geröstet, Sesam, Sesamöl, Pfeffer, Ingwer, manchmal auch kandierter Ingwer (Beni shōga) etc.

Rezept von «Ramen Bugi»

Als Hektor Maille in einer Nudel-Bar östlich der Gaien Higashi Dōri erstmals Tonkotsu-Ramen ass, war er so angetan von dem abgründigen Aroma der Brühe, dass er seine aus Japan stammende Lehrerin in Sachen Selbstverteidigung bat, ihm eine Anleitung für die Zubereitung von Tonkotsu-Ramen zu besorgen. Kyuri sandte ihm das Rezept eines ursprünglich aus Osaka stammenden Freundes, der in Sydney ein Nudellokal namens «Ramen Bugi» betreibt. Das hier vorgestellte Rezept stellt eine für mitteleuropäische Einkaufsmöglichkeiten adaptierte Version der Tonkotsu aus Sydney dar - weshalb wir sie Tonkotsu-Ramen «Bugi» getauft haben. Eine Diät-Speise sind Tonkotsu-Ramen nicht – aber sie haben ein fantastisches, tiefgründiges Aroma.

Alternativen

Als Alternative zu den doch etwas zeitintensiven Tonkotsu-Ramen stellen wir auf diesen Seiten ausserdem das Rezept für eine zweite Nudelsuppe vor, deren Zubereitung deutlich schneller geht: Die Nudel-Suppe «Kyuri» geht auf eine Kochanleitung von Hektor Mailles Lehrerin in Sachen Kampfkunst zurück – und gehört überdies zu den Gerichten, die der Geheimagent gerne für sich selbst zubereitet. Noch einfacher in der Zubereitung ist eine Nudelsuppe, deren Rezept aus Chitwouj stammt - sie schmeckt überdies ein wenig ähnlich wie die hier vorgestellten Tonkotsu-Ramen.

Zutaten (für 1 L Suppenbasis)

1 kg Schweineknochen

500 g Schweinefüsschen

1 Schweineschwänzchen

300 g Hühnerkarkassen (zum Beispiel Knochen und Gerippe eines Brathuhns vom Vortag)

2 nicht zu grosse Zwiebeln

1 Knolle Knoblauch

2 EL Rapsöl

100 g Ingwer, geputzt (aber nicht geschält) und in Scheiben geschnitten

ev. 1 Karotte, geputzt, in Rädchen

ev. 1 kleine Stange Lauch, geputzt, in Rädchen

Zutaten (Topping für 2 Personen)

2 EL Sesamöl

1 etwa walnussgrosses Stück Ingwer, geputzt und möglichst fein gehackt oder gerieben

3 Zehen Knoblauch, fein gehackt

Zutaten (für 2 grosse Schüsseln Suppe)

1 Stück Schweinebauch von etwa 150 g

2 TL Sesampaste (Tahini)

1 EL Sesam, im Mörser fein zerstossen

3 Zehen Knoblauch, gepresst

1 bis 2 TL Salz

½ TL weisser Pfeffer

150 g Ramen

50 g Mungbohnensprossen, gewaschen

2 EL asiatische Frühlingswiebeln, in feinen Rädchen

Etwas Shichimi

Zubereitung Suppenbasis (die ersten 22 Stunden)

  1. Knochen wenn nötig in grobe Stücke zerhacken.
  2. In einem grossen Topf (mit einem Fassungsvermögen von wenigstens 6 bis 7 Litern) Wasser zum Kochen bringen und Knochen, Schweinefüsschen und Schweineschwänzchen darin rund 5 bis 10 Minuten blanchieren. Abgiessen, Fleisch in ein Sieb geben und unter kaltem Wasser abbrausen.
    Ob es wirklich nötig ist, Knochen und Füsschen zu blanchieren, sei dahingestellt. Traditionell stellt das Blanchieren den ersten Schritt einer Brüheherstellung dar. Es heisst, dass dabei unnötiges Blut aus dem Fleisch geholt wird – Blut, das die Brühe sonst bitter machen könnte. Es gibt allerdings auch Köche, die diesen Schritt für überflüssig halten.
  3. Knochen und Fleisch wieder in den Topf geben und mit etwa 3.5 bis 4 Liter Wasser gut bedecken. Langsam zum Kochen bringen, Hitze reduzieren und etwa 22 Stunden lang leicht sieden lassen (keinesfalls heftig kochen). Sollte sich Schaum bilden, kann man ihn von Zeit zu Zeit abschöpfen. Da die Brühe nur leicht siedet, braucht man keinen Deckel aufzusetzen. Trotzdem wird man von Zeit zu Zeit etwas Wasser nachgiessen müssen – die Knochen sollten vor allem in den ersten 22 Stunden nicht zu sehr aus der Flüssigkeit ragen.

Zubereitung Suppenbasis (die letzten 2 Stunden)

  1. Die Zwiebeln reinigen und mitsamt der Schale vierteln. Knoblauch putzen und in Zehen zerbrechen (aber nicht schälen).
  2. Öl in einer Pfanne erhitzen, Zwiebel und Knoblauch so lange darin anbraten bis sie allseits eine braune Farbe angenommen haben (die gebräunten Partien, Produkte der Maillard-Reaktion, verleihen der Brühe zusätzliches Aroma).
  3. Zwiebel, Knoblauch und Ingwer zu der Brühe geben und etwa 2 Stunden köcheln lassen. Wer es etwa gemüsiger haben möchte kann ausserdem zum Beispiel eine Karotte und einen kleinen Lauch beigeben.
  4. Schweinebauch (als spätere Einlage der Suppe) beigeben und eine Stunde mitköcheln lassen.
  5. Topf vom Herd nehmen und etwas abkühlen lassen. Das Stück Schweinebauch herausfischen und für die weitere Verwendung beiseite stellen. Brühe mitsamt den Knochen in ein engmaschiges Sieb, am besten ein Spitzsieb geben (je nach Siebgrösse in mehreren Etappen). Die Flüssigkeit gut aus den Knochen und Karkassen drücken – ohne jedoch feste Bestandteile (etwa vom Gemüse) durch die Maschen zu pressen. Man kann auch leicht gegen den Rand des Siebes klopfen, um so das Ablaufen der Flüssigkeit zu beschleunigen.
  6. Brühe ganz erkalten lassen. Während sie abkühlt, erstarren die nichtfetten Teile der Brühe wegen der Gelatine zu einer schwabbeligen Masse. Gleichzeitig steigen Fett und Trübstoffe zur Oberfläche auf und bilden dort eine buttrige Schicht. Nun kommt der Moment der Wahrheit: Natürlich kann man diese Fettschicht nun mit Hilfe eines Löffels leicht entfernen. Allerdings enthält das Fett auch das meiste Aroma. Und Tonkotsu-Ramen sind nun mal keine Leichtigkeit.

Zubereitung des Toppings

  1. Öl in einer möglichst kleinen Pfanne nicht zu stark erhitzen.
  2. Ingwer und Knoblauch darin frittieren bis sie eine dunkelbraune Farbe angenommen haben und das Öl nicht mehr schäumt (was heisst, das alles Wasser aus den Gewürzen verdampft ist). In einem separaten Schälchen zur Suppe reichen.

Zubereitung der Suppe

  1. Schweinebauch in etwa 0.5 cm dicke Scheiben schneiden.
  2. Etwa ein Drittel der Tonkotsu-Suppenbasis (also etwa 3 dl) in einer Pfanne zum Kochen bringen.
  3. Sesampaste, Sesam, Knoblauch, Salz und Pfeffer mit etwa 2 bis 3 dl Wasser vermischen (mit Hilfe eines Scheebesens) und alles unter die Suppe rühren.
  4. Kurz vor dem Servieren die Schweinebauchstücke in der Suppe warm werden lassen (etwa 3 Minuten).
  5. Nudeln gemäss Anleitung kochen und abschütten (nicht abschrecken).
  6. Nudeln auf zwei grosse Suppenschüsseln verteilen, Sprossen darüber geben und die erwärmten Stücke vom Schweinebauch darauf legen. Die heisse Suppe darüber giessen, mit Frühlingszwiebeln und ein wenig Shichimi bestreuen und sofort heiss verzehren.

Man kann den Schweinebauch, nachdem er in der Brühe gezogen hat, nachträglich in einer Mischung aus Sojasauce, Mirin und Sake mit etwas Ingwer rund 20 Minuten unter häufigem Wenden köcheln lassen. – In manchen Tonkotsu-Lokalen liegt eine Presse auf dem Tisch, mit deren Hilfe man eine zusätzliche Zehe Knoblauch frisch in die Suppe geben kann (was allerdings dann ein wenig domniert). – Und falls Sie demnächst in Tokio, Singapore oder New York sind, sollten Sie sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, vor «Ippudo» im Regen Schlange zu stehen (hier die Web-Seite des Lokals).

Resultat von mindestens 24 Stunden Kocherei: Eine Schüssel mit Tonkotsu-Ramen (Degustation vom 15. Mai in Basel).
Beginn eines langen Weges: Die Tonkotsu-Suppenbasis nach etwa
Halbzeit: Die Tonkotsu-Suppenbasis nach 12 Stunden Kochzeit.
Nach 24 Stunden sind die Schweineknochen sehr sauber.
Beim Erkalten bildet sich auf der Oberfläche der Brühe eine dicke, buttrige Schicht aus Fett – da drin steckt auch der meiste Geschmack.
Unter dem Fett ist die erkaltete Brühe zu einer gelatineartigen Masse erstarrt.
Eine Schüssel mit Tonkotsu-Ramen wie sie im Pariser Restaurant «Sapporo» an der Rue Saint-Honoré serviert werden.
Auch Tonkotsu-Ramen kann man als Fertiggericht kaufen, das man nur noch mit Wasser übergiessen muss. Wir haben zwei dieser Nudeln probiert, beide haben wir bei «Nishi's Japan Shop» in Zürich gekauft. Ein kleines Paket mit ausschliesslich japanischer Aufschrift (Inhalt: 1 Nest Nudeln, 2 kleine Tütchen). Die Ramen schmecken erstaunlich unkünstlich, wirken allerdings etwas fettig und langweilig, vielleicht vor allem weil das Aroma von Öl aus geröstetem Sesam sehr dominant ist. Mit etwas Shichimi lässt sich die Suppe deutlich verbessern.
Die Etikette bezeichnet diese Cup Noodles als «Ajiwai No Ippin Tonkotsu Ramen» (Inhalt: 1 Nest Nudeln, 2 kleine Tütchen). Die Suppe schmeckt erstaunlich gut und erinnert tatsächlich an eine selbstgemachte Ramen-Brühe, auch wenn sie etwas ölig wirkt. Irritierend sind lediglich die kleinen Stückchen von Fleisch (?), die eher wie aufgeweichte Brotkrumen in der Suppe schwimmen.

Mehr über die Reiseabenteuer des Geheimagenten Hektor Maille:

Japanische Restaurants halten für ihre Besucher einige Überraschungen bereit – manche sind nur etwas bizarr, andere vor allem auch unbezahlbar. Wer, wie Hektor Maille, sein Spesenkonto schon ein wenig strapaziert hat, hält sich am besten an Sushi oder an Nudel-Bars. Überraschende Aromen können sich überdies manchmal auch in einer Suppenschüssel finden:

First Publication: 20-5-2010

Modifications: 27-7-2010, 26-1-2011, 19-6-2011, 15-11-2011, 16-12-2011