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Kochi (India) Gandhi Beach
Mahatma Gandhi Beach (Cochin Club)
Montag, 24. Dezember 2012

Ort auf Weltkarte anzeigen

Ob etwas stinkt oder aber angenehm riecht, lässt sich objektiv gar nicht sagen und auch subjektiv oft nur schwer entscheiden. Sicher aber ist, dass es Düfte gibt, die einfach nicht zu der Welt passen, wie wir sie sehen.

Bilder haben den Vorteil, dass sie im Normalfall keinerlei Geruch verströmen – und wir uns also olfaktorisch vorstellen können, was immer wir wollen. In aller Regel stellen wir uns allerdings gar nichts vor, schauen wir uns die Bilder doch eher geruchsneutral an. Auch wenn etwas abgebildet ist, von dem wir eigentlich wissen, dass es stinkt, haben wir meist kaum geruchliche Assoziationen. Es ist ein interessantes Experiment, sich zum selbigen Bild mal den Geruch von Orangenschale, mal aggressiven Achselschweiss, den Duft von einem Stück Camembert, ein Fichtenparfum oder ein ungepflegtes Pinkelbecken vorzustellen. Die Wirkung des Bildes ist bei jeder Assoziation eine ganz andere – die Legende, die wir dazu schreiben würden, fiele je nach Begleitduft ziemlich verschieden aus.

Wie sehr ein Parfum nicht nur unsere Wahrnehmung der Welt, sondern sogar unsere Haltung beeinflussen kann, wissen wir von der Strasse: Da kann das zauberhafteste Wesen auf uns zu schweben, wenn der Gehsteig zufällig gerade nach Hundekacke riecht, dann schenken wir ihm wohl kaum ein Lächeln.

Die riesige Differenz zwischen dem Erlebnis eines Ortes und dem Eindruck, den die Bilder desselben Ortes vermitteln, ist also gar nicht das Resultat unterschiedlicher Perspektiven allein, sondern auch das Ergebnis verschiedener olfaktorischer Realitäten.

Die Tatsache, dass heute Bilder von jedem Winkel dieser Erde im Internet zur Verfügung stehen, hat Pessimisten auf den Plan gerufen, die einen durch die Medien verursachten Weltschwund wittern. Sie behaupten etwa, wir fänden auf Reisen nur noch das vor, was Reiseführer oder Prospekte längst in unsern Köpfen verankert hätten – die Reise würde somit zu einer tautologischen Tour. Die Tatsache allein, dass von den Bildern kein Geruch aufsteigt, nimmt solchen Thesen allen Wind aus den Segeln. Das Erlebnis der Welt lässt sich durch Bilder nicht ersetzen. Die Welt erzählt eine ganz andere Geschichte als es die Bilder tun. Überflüssig sind die Bilder deswegen noch lange nicht – im Gegenteil: Sie helfen uns etwa dabei, Dinge zu sehen, die für uns sonst vor lauter Gerüchen unsichtbar blieben. Und also brauchen wir sie auch, um mehr von der Schönheit der Welt erkennen zu können.

Siehe auch

First Publication: 23-1-2013

Modifications: 23-6-2013